"Wir müssen eine Gegenatmosphäre schaffen"
Der Bischof von Dresden-Meißen, Heiner Koch rief zu einer "Solidarität im Guten" auf. Es müssten sich die Menschen zusammenschließen, die einen Gegenpol zu den Protesten darstellen, sagte er im Kölner Domradio. Es gebe auch in Dresden und Heidenau viele Menschen, die Flüchtlinge unterstützten und Herz zeigten.
Die Flüchtlingspolitik in Deutschland und Europa müsse auf den Prüfstand, für kritische Stimmen habe er auch Verständnis - aber nicht dafür, "dass man so hasserfüllt gegenüber Menschen sein kann", so Koch. Unabhängig davon gehöre das Thema Rechtsextremismus und die Aufklärung darüber in Schule und Bildungsarbeit. Das Potenzial zum Rechtsextremismus sei in Deutschland und auch in den Nachbarländern da.
Overbeck: Brauchen Diskussion über gemeinsame Werte
Der katholische Sozialbischof Franz-Josef Overbeck rief dazu auf, sich auch für bessere Lebensverhältnisse in den westlichen Balkanstaaten einzusetzen. Auf diese Weise könnten die Menschen dort zum Bleiben motiviert werden, sagte der Ruhrbischof. Mit Blick auf den Fachkräftemangel in Deutschland wertete er die Zuwanderung aber auch positiv: "Viele Mittelständler sagen mir, dass sie diese jungen Menschen sehr gerne einstellen und ausbilden würden."
„Wir müssen darüber sprechen, was unsere Gesellschaft im Innersten zusammenhält“
Overbeck warb dafür, in Deutschland über eine gemeinsame Wertebasis zu diskutieren. "Wir müssen darüber sprechen, was unsere Gesellschaft im Innersten zusammenhält." Dies sei auch nötig, weil die Kirchen als traditionelle Sinnstifter mittlerweile nur noch Anbieter "in einem sehr pluralen Umfeld" seien. Auch zur Integration der Zuwanderer sei eine stabile Wertebasis wichtig, so der Bischof.
Ähnlich argumentiert auch Koch: Man sollte sich fragen, was in den Protestierenden zerbrochen sei, dass sie so extrem auftreten und mit ihnen darüber reden. "Wir müssen auch manchen aus der Sackgasse herausholen, in die er da geraten ist", so der künftige Erzbischof von Berlin. Er forderte die Kirchengemeinden auf, nicht nur zu zeigen, dass sie gegen rechtsextreme Gewalt seien, sondern auch für Flüchtlinge. "Wir müssen eine Gegenatmosphäre schaffen".
Auch der Würzburger Oberhirte Friedhelm Hofmann rief Pfarreien, kirchliche Einrichtungen und Ordensgemeinschaften in seiner Diözese zu weiteren Hilfen auf. Sie sollten alle Möglichkeiten für Unterkünfte prüfen, damit die Menschen im kommenden Winter "menschenwürdig" untergebracht und versorgt würden, schreibt Hofmann in einem am Mittwoch veröffentlichten Brief. Zugleich dankte er all jenen mit einem "Vergelt's Gott", die sich schon seit längerem engagierten, und für jede weitere Initiative.
Bereits vor knapp einem Jahr hatte sich der Bischof mit einem Aufruf an dieselben Adressaten gewandt und um Wohnraum für Flüchtlinge gebeten. "Innerhalb weniger Stunden und Tage erreichten uns daraufhin eine Vielzahl von Angeboten aus Klöstern, Pfarreien und sozialen Einrichtungen." Damit sei die Hilfsbereitschaft der Kirche deutlich geworden.
Anfang der Woche hatte auch Kardinal Reinhard Marx an die Pfarreien und Ordensgemeinschaften in seinem Erzbistum München und Freising appelliert, weitere Möglichkeiten der Unterbringung für Flüchtlinge zu prüfen.
Caritas international stockt Hilfe auf
Praktische Hilfe leistet bereits das Hilfswerk Caritas international. Wie es ebenfalls am Mittwoch mitteilte, weitet es die Unterstützung für Flüchtlinge auf den Balkan noch aus und stellte Hygieneartikel, Decken und Medikamente zur Verfügung. Eingesetzt werde auch medizinisches und pflegerisches Personal. Das Programm im Umfang von 200.000 Euro wird demnach vom Auswärtigen Amt unterstützt.
Bei ihrem Besuch in Heidenau würdigte Bundeskanzlerin Angela Merkel das Engagement der Hilfswerke: "Ich bin stolz auf die Struktur der Hilfsorganisationen, die wir hier in Deutschland haben", erklärte sie. Zugleich sprach sie von einer "riesigen Herausforderung", vor der das Land stehe und die "viel Kraft" erfordere.
Merkel: Ausschreitungen sind "beschämend und abstoßend"
Der erste Besuch der Kanzlerin in einer Flüchtlingsunterkunft war mit Spannung erwartet worden. In Heidenau sagte Merkel, es gebe keine Toleranz gegenüber denen, die die Würde anderer Menschen infrage stellen. Wörtlich erklärte sie: "Ich möchte noch einmal daran erinnern, (...) dass es beschämend und abstoßend ist, was wir erleben mussten" und ergänzte: "Deutschland hilft, wo Hilfe geboten ist." Zugleich dankte sie allen, die vor Ort "diesen Hass ertragen müssen". Hunderte Menschen protestierten aus Anlass von Merkes Besuch in Heidenau lautstark und riefen teils fremdenfeindliche Parolen. (gho/dpa/KNA)