Erster katholischer Flüchtlingsgipfel soll konkrete Tipps geben

"Wir schaffen das nur gemeinsam"

Veröffentlicht am 23.11.2015 um 13:45 Uhr – Von Thomas Winkel (KNA) – Lesedauer: 
"Wir schaffen das nur gemeinsam"
Bild: © Leo Simon
Flüchtlinge

Würzburg ‐ Ein bundesweiter Flüchtlingsgipfel ohne Merkel, Gabriel und Seehofer? Ja, das gibt es. Am Dienstag treffen sich 100 Experten aus den Bistümern, Orden, Hilfswerken und Verbänden zum ersten "Katholischen Flüchtlingsgipfel" in Würzburg.

  • Teilen:

Mit dem Gipfel unterstreicht die Kirche, wie wichtig sie das Thema nimmt. Aus demselben Grund hatten die deutschen Bischöfe kürzlich einen Sonderbeauftragten für Flüchtlingsfragen ernannt: den Hamburger Erzbischof Stefan Heße, der sich auf diesem Terrain bereits klar positioniert hat.

So rief der Bischof zur Teilnahme an einer Demo gegen Fremdenhass auf, brandmarkte die Flüchtlings-Rhetorik einiger Politiker als "gefährlich" und sagt klipp und klar: "Wir stehen zu den Fremden, die zu uns kommen, wir nehmen sie auf und setzen uns für sie ein." Soweit der Rahmen.

Experten aus Verbänden, Orden, Hilfswerken und Gemeinden

Wie dieser am Besten ausgestaltet wird, beraten nun Experten aus Verbänden, Orden, Hilfswerken und Gemeinden. Für die Gespräche hinter verschlossenen Türen sind vier Stunden angesetzt. Arbeitsgruppen sollen handfeste Hinweise für die kirchliche Flüchtlingshilfe entwickeln, etwa wie der große Einsatz ehrenamtlicher Helfer auf lange Sicht unterstützt werden kann. Ein Engagement, das Papst Franziskus vor deutschen Bischöfen gerade als vorbildlich gelobt hat.

Player wird geladen ...
Video: © katholisch.de

"Die Arbeit mit Migranten und Flüchtlingen erfinden wir nicht neu, weil sie uns sozusagen kirchlich eingestiftet ist", sagt Erzbischof Stefan Heße. Seit September ist der Hamburger Oberhirte der Sonderbauftragte für Flüchtlingsfragen der Deutschen Bischofskonferenz. Im Interview mit katholisch.de erklärt er, was seine Aufgaben und Ziele in diesem neuen Amt sind.

Weitere Themen in den Workshops: die Fortbildung von Mitarbeitern der Flüchtlingshilfe, der Schutz unbegleiteter Kinder sowie das Zusammenspiel von christlichen, muslimischen und jüdischen Helfern. Gerade angesichts der jüngsten Anschläge ein wichtiger Ansatz. Eine weitere Gruppe beschäftigt sich damit, wie Flüchtlinge die Seelsorge verändern. Denn trotz aller Zäune und aller Ertrunkenen - sie kommen nach wie vor.

Seit Beginn der Krise sind die christlichen Gemeinden vor Ort in der Flüchtlingsfrage zu starken Säulen herangewachsen, ohne die vieles zusammenbrechen würde. Hier stellen sie Wohnungen bereit, dort bieten sie Sprachkurse an, helfen beim Papierkram mit Behörden, schaffen Treffpunkte. Und: Sie kümmern sich wie der Jesuiten-Flüchtlingsdienst und die Organisation Pro Asyl um Rechtsbeistand für Menschen, die abgeschoben werden sollen.

2015 knapp 100 Millionen Euro in die Flüchtlingsarbeit gesteckt

2015 hat die katholische Kirche in Deutschland zusätzlich knapp 100 Millionen Euro in die Flüchtlingsarbeit gesteckt. Die evangelische Kirche spricht ebenfalls von einem dreistelligen Millionenbetrag. Was sich nicht aufrechnen lässt: der Beitrag der vielen freiwilligen und hauptberuflichen Mitarbeiter zu einer Willkommens- und Solidaritätskultur.

Im Schatten der Kirchen packen viele mit an, weil die Sorge für Migranten und Flüchtlinge zum christlichen Selbstverständnis gehört. Kardinal Reinhard Marx brachte das auf die griffige Formel: "Ausländerfeindlich und katholisch zu sein, geht nicht zusammen."

Bild: ©picture alliance/dpa/Rolf Vennenbernd

Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki unterhält sich vor einer Caritas-Flüchtlingsunterkunft in Köln mit dem 18-jährigen Fabio aus Albanien.

Bei allem Einsatz für Asylsuchende beansprucht die Kirche freilich auch, das Wohl der Gesamtgesellschaft mit im Blick zu haben - mitunter eine Gratwanderung. Beispiel: In den Tagen rund um den Gipfel will das Bundeskabinett schnellere Asylverfahren beschließen, und Caritas-Chef Peter Neher spricht von einem "berechtigten Interesse der Politik, angesichts der vielen Flüchtlinge handlungsfähig" zu bleiben. Einerseits.

Andererseits hält Neher "das Absenken von Standards im Asylverfahren" für nicht akzeptabel. Deshalb wendet sich der Verband unter dem Strich gegen die geplante Neuregelung. Zu den Kirchenstimmen, die sich in der Flüchtlingsfrage besonders stark einbringen, zählt der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki. Er hat das Thema zu einem seiner Schwerpunkte gemacht - und lobt die Kanzlerin, für die die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen alternativlos ist. Natürlich werde das nicht einfach, so Woelki: "Aber nur gemeinsam werden wir das schaffen." Das klingt ähnlich wie Merkels Mantra - und doch ein bisschen anders.

Von Thomas Winkel (KNA)