"Wir sind Vorreiter für die Gemeinde"
Frage: Herr Holzner-Kindlinger, Sie sind gerade auf der Frühjahrstagung des Berufsverbands der PastoralreferentInnen Deutschlands zum neuen Vorsitzenden gewählt worden. Was besprechen Sie und ihre Kollegen während solcher Treffen?
Holzner-Kindlinger: Aktuell geht es um die Leitfrage, welche elementaren Aspekte uns in der Beschreibung unseres Berufes wichtig sind. Und das ist gar nicht so einfach. Als wir im vergangenen Herbst Pastoralreferenten aus ganz Europa – zum Beispiel aus den Benelux-Staaten – zu Gast hatten, wurde deutlich, dass der Beruf in der jeweiligen örtlichen Seelsorge oft komplett unterschiedlich verwurzelt ist.
Frage: Haben diese unterschiedlichen Verwurzelungen Auswirkungen auf die Aufgabenfelder der Pastoralreferenten?
Holzner-Kindlinger: Zunächst einmal gibt es einen gemeinsamen Nenner: Pastoralreferenten und Pastoralreferentinnen haben einen universitären Abschluss in Theologie, entweder das Diplom oder neuerdings den Magister. Allerdings werden sie tatsächlich unterschiedlich eingesetzt. In den meisten Diözesen sind sie im überregionalen Bereich beschäftigt, zum Beispiel auf Dekanatsebene. In den südlichen Diözesen arbeiten die Pastoralreferenten dagegen häufiger auch auf der Ebene der Pfarrgemeinde – oder besser gesagt: Sie haben dort gearbeitet. Denn mittlerweile sind die Seelsorgeräume fast überall in Deutschland so groß geworden, dass die überregionale Ebene zugleich die kleinste mögliche Einheit ist. Hinzu kommen Pastoralreferenten, die fast ausschließlich in der kategorialen Seelsorge, zum Beispiel in Krankenhäusern, Gefängnissen oder in der Jugend- und Bildungsarbeit, eingesetzt werden.
Frage: Wie erklären Sie sich die regionalen Unterschiede?
Holzner-Kindlinger: Das liegt daran, dass sich das Berufsbild des Pastoralreferenten erst Stück für Stück entwickelt hat. Und das hat es in den Diözesen sehr individuell getan. Wenn ich zum Beispiel auf die Erzdiözese München-Freising schaue, dann war es dem früheren Kardinal Julius Döpfner ein großes Anliegen, die Seelsorge in den Pfarreien stärker zu begleiten. In Rottenburg-Stuttgart ist es ähnlich. Da beginnen die Pastoralreferenten in der Gemeinde und können dann nach der zweiten Dienstprüfung in die kategoriale Seelsorge wechseln. In anderen Diözesen beginnen sie dagegen direkt dort.
Frage: Auch die Kompetenzen sind verschieden. So dürfen Pastoralreferenten in einigen Diözesen zum Beispiel den Begräbnisdienst übernehmen, in anderen nicht. Was halten Sie davon?
Holzner-Kindlinger: Gerade der Begräbnisdienst ist ein heikles Thema. Einerseits ist es ein großes Seelsorgefeld, wo es im Prinzip auch Pastoralreferenten braucht. Andererseits kann es dort, wo uns der Dienst erlaubt ist, auch schon einmal vorkommen, dass wir mit dem Vorwurf einer "Beerdigung zweiter Klasse" konfrontiert werden. Vor allem von Kolleginnen habe ich gehört, dass sie gefragt wurden, ob denn der Priester keine Zeit gehabt hätte. Allerdings ist das auch eine Gewohnheitssache. Doch die Fragen werden seltener und kommen meist auch nur noch von denen, die der Kirche eher fern stehen und den Beruf des Pastoralreferenten nicht kennen. Viele Diözesen sind bei Themen wie dem Begräbnis- oder auch dem Predigtdienst noch sehr zurückhaltend. Es sind Ängste da, dass Pastoralreferenten dem Priester etwas wegnehmen. Am Ende hängt alles mit der Frage zusammen, ob Pastoralreferenten Amtsträger sind. Unser Beruf konnte sich auch deshalb in den letzten 50 Jahren nur so wenig weiterentwickeln, da die Antwort auf die Frage bisher sehr einseitig ausgefallen ist: Das Amt kann nur beim Priester sein. Für einige Kirchenrechtler ist es jedoch unstrittig, dass Pastoralreferenten nach can. 145 CIC ein Amt innehaben – wie auch Ministranten, Lektoren oder Pfarrgemeinderäte.
Frage: Was zeichnet in Ihren Augen denn den Beruf des Pastoralreferenten aus?
Holzner-Kindlinger: Ich würde sagen, dass wir eine Art Vorreiter für die Gemeinde sind. Jeder Christ hat durch die Taufe und die Firmung den Auftrag, am Aufbau des Reiches Gottes mitzuwirken – und wir gehen mit gutem Beispiel voran. Jeder andere getaufte und gefirmte Christ könnte sich wie ich im seelsorglichen Dienst einsetzen, wenn er das möchte. Unsere Aufgabe ist es, sie dazu zu motivieren. Der einzige Unterschied ist, dass die Pastoralreferenten durch ihr Theologiestudium und ihre Ausbildung vielleicht etwas mehr Fachwissen haben.
Linktipp: Der vielfältigste Beruf der Welt
Die Berufe von Gemeindereferenten und Pastoralreferenten haben viel gemeinsam. Zwei Vertreter der beiden Seelsorgeberufe erklären, was ihre Arbeit ausmacht. Dabei geht es um lange Arbeitstage, vielfältige Aufgaben und Freiheit.Frage: Die katholische Kirche in Europa steht vor großen Herausforderungen. Die Zahl der Priester nimmt ab. Das führt zu immer mehr Gemeindefusionen. Was bedeutet das für die Kirche?
Holzner-Kindlinger: Es geht nach wie vor darum, die Zeichen der Zeit in den Seelsorgebereichen zu entdecken und weiterzuentwickeln. Allerdings braucht es dazu auch pastorales Personal. Sicher hat die Kirche mittlerweile erkannt, dass das nicht nur Priester sein können. Es rächen sich nun aber falsche Weichenstellungen in der Vergangenheit, so dass auch bei den Laienseelsorgern der Nachwuchs fehlt. Künftig könnte das zu noch mehr personellen Lücken in der Seelsorge führen. Hier gilt es, die Ausbildung für die Laien noch einmal auszubauen.
Frage: Die Kirchenoberen betonen ja immer wieder, dass sie Laien mehr zutrauen wollen. Die Rede ist dabei aber meistens von Ehrenamtlichen. Haben Sie Angst, dass es bei diesem Konzept bald überhaupt keine hauptamtlichen Laien mehr braucht?
Holzner-Kindlinger: Die Angst habe ich nicht. Ich schätze das Engagement der Ehrenamtlichen sehr. Allerdings können die Ehrenamtlichen ihren Dienst leichter und motivierter tun, wenn sie das Gefühl haben, fachlich gut begleitet zu werden. Wenn Gemeindemitglieder allerdings den Eindruck haben sollten, dass ihre Arbeit weniger wert ist als unsere, dann läuft etwas schief.
Frage: Was würden Sie sich in ihrem Dienst als Pastoralreferent zutrauen, das heute aber noch nicht erlaubt ist?
Holzner-Kindlinger: Da gibt es viele Beispiele – vor allem im Bereich der Sakramentenpastoral. Schauen wir uns nur das Ehesakrament an. Das spenden sich Mann und Frau gegenseitig. Der Priester oder Diakon ist hier mehr oder weniger eine Art "kirchlicher Standesbeamter". Warum können Laien hier nicht der Zeuge sein? Auch die Krankensalbung ist so ein Beispiel. In meinem Klinikalltag kommt es vor, dass sich Patienten das Sakrament wünschen. Obwohl ich ihn die ganze Zeit begleitet habe und er nicht will, dass jetzt noch jemand fremdes hinzugezogen wird, muss ich ihm sagen: "Ich schaue mal, ob ich einen Priester organisieren kann, der das macht." Da gibt es ein Spannungsfeld. Zumal das der Krankensalbung bis ins hohe Mittelalter – so schreibt es beispielsweise Karl Rahner – durch Laien gespendet wurde.