Wo Studenten beten gehen
Sie dienen nicht nur für Stoßgebete in der Prüfungszeit, sondern sind oft ein zentraler Ort des universitären Lebens: Universitätskirchen. Obwohl die meisten deutschen Hochschulen vom Staat unterhalten werden, haben viele von ihnen eigene Gotteshäuser. Sie sind spirituelle Orte der Hochschulen, an denen sich die ganze Universitätsgemeinde treffen kann: Studenten, aber auch Professoren und andere Universitätsmitarbeiter kommen zum Gottesdienst zusammen. Dabei haben Universitätskirchen oft eine bewegte Geschichte hinter sich. Katholisch.de stellt zum Start des Sommersemesters vier Beispiele vor.
Münster: Eine Hochschule, zwei Kirchen
Eine Besonderheit der Universität Münster sind ihre zwei Universitätskirchen, eine für jede der beiden großen Konfessionen. Die meisten deutschen Hochschulen haben nur eine offizielle Kirche. Diese gehört dann in der Regel zum in der jeweiligen Stadt dominierenden Bekenntnis. Die evangelische Universitätskirche in Münster befindet sich im Besitz der Universität und wurde im vergangenen Jahr nach einer Renovierung wieder eröffnet. Ihr katholisches Äquivalent ist die ehemalige Dominikanerkirche, die heute der Stadt gehört.
Theologieprofessor Klaus Müller ist der katholische Universitätsprediger und damit für die Dominikanerkirche zuständig. Dort versammelten sich nicht nur Studenten, sondern generell Menschen, die eine Beziehung zur Münsteraner Hochschule hätten.
Eine gute Zusammenarbeit pflege man mit der evangelischen Universitätsgemeinde beim jährlichen Totengedenken für die verstorbenen Universitätsangehörigen – ein wichtiger Termin im Kalender der Universität, sagt Müller. Seit einigen Jahren werde das Totengedenken interreligiös begangen, gemeinsam mit dem Institut für Muslimische Theologie. Der Innenraum der barocken Dominikanerkirche im Münsteraner Zentrum ist mit Stühlen ausgestattet. Dies ermöglicht eine Anordnung der Sitzmöglichkeiten im Halbkreis um einen runden Altartisch im Zentrum des Gotteshauses, direkt unter der Kuppel der Dominikanerkirche.
Rostock: Von der Trockenkammer zur Kirche
Die Universitätskirche von Rostock ist eines der wenigen Gotteshäuser an ostdeutschen Hochschulen. Seit 1899 wird sie durchgehend als Kirche der Hochschule genutzt – also auch während der gesamten DDR-Zeit. Ursprünglich war das gotische Gotteshaus Teil eines Zisterzienserinnen-Klosters. Die Kirche beherbergt eine Heilig-Kreuz-Reliquie, welche ihr auch den Namen gibt. Wie viele weitere Universitätskirchen, hat auch sie schon andere Nutzungen erlebt: Im Laufe ihrer bewegten Geschichte wurde sie als Kunstmuseum, Bibliothek und Raum zum Trocknen von Wäsche genutzt, bis sie Ende des 19. Jahrhunderts zur Universitätskirche wurde.
Auch heute erfüllt die evangelische Heilig-Kreuz-Kirche mehrere Funktionen. Neben den Gottesdiensten der Universitätsgemeinde finden dort Abschlussfeiern, Lehrveranstaltungen und Konzerte statt.
Eichstätt: Eine Kirche für Uni und Seminar
In Eichstätt befindet sich die einzige katholische Universität in Deutschland. Wie es sich für eine Institution der Kirche gehört, beherbergt die KU Eichstätt-Ingolstadt auch einen angemessenen Gottesdienstraum. Dabei nutzt sie ihre Universitätskirche nicht alleine, sondern gemeinsam mit dem Priesterseminar des Bistums Eichstätt, dessen Seminarkirche sie ist..
Ursprünglich für die Jesuiten ließ der Eichstätter Fürstbischof die Schutzengelkirche von 1617 bis 1620 erbauen. Das Renaissance-Bauwerk wurde im Barock umgestaltet und mit zahlreichen Engeln verziert – angelehnt an ihr Patrozinium. Die Kirche stellt ein hervorragendes Beispiel für die sakrale Architektur der Jesuiten jener Zeit dar. In der Zeit der Säkularisation zu Beginn des 19. Jahrhunderts konnte der drohende Abriss des Gotteshauses verhindert werden.
Leipzig: Erinnerung an das Erbe Luthers
Seit 1543 hat die Universität Leipzig eine eigene Kirche. Das seit dem 13. Jahrhundert bestehende Leipziger Dominikanerkloster wurde nach der Reformation säkularisiert und der Hochschule übereignet. Bereits vorher bestanden enge Kontakte zur Universität. 1545 wurde die ehemalige Klosterkirche St. Pauli von Martin Luther schließlich zur Universitätskirche umgewidmet. Während der Völkerschlacht von 1813 beherbergte sie ein Lazarett. Den Zweiten Weltkrieg überstand die Universitätskirche nahezu unbeschadet, die DDR-Zeit jedoch nicht: 1968 wurde sie gesprengt. Damit wollte das SED-Regime seine Macht demonstrieren und ein Zeichen gegen den christlichen Glauben setzen.
Heute wird an der Stelle der alten Universitätskirche ein neues Zentrum der Universität gebaut. Das Bauprojekt begann 2005 und ist fast abgeschlossen. Es umfasst neben funktionalen Räumen der Universität auch eine große Aula und einen Andachtsraum mit 120 Sitzplätzen. Benannt ist das Gebäude nach seinem Vorgängerbau: "Paulinum". Wenigstens architektonisch erinnert es an die einstige Universitätskirche.