Wohin mit den Waffen?

Veröffentlicht am 31.01.2013 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Rüstungsexporte

Bonn/Berlin ‐ Sorgen deutsche Gewehre mit dafür, dass der arabische Frühling jäh scheitert? Ganz so abwegig ist diese Überlegung nicht. Denn die große Exportnation gehört auch bei Waffenlieferungen zur Spitzengruppe. Für 5,4 Milliarden Euro hat die Bundesrepublik dem aktuellen Rüstungsexportbericht zufolge im Jahr 2011 Waffen und Zubehör in die Welt verschifft. Und das nicht nur in Partnerländer der Europäischen Union oder der NATO.

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Dem Bericht zufolge gingen 42 Prozent aller Exporte in sogenannte Drittländer, dazu zählen auch Staaten, die es mit den Menschenrechten nicht so genau nehmen: Transportpanzer wurden nach Algerien exportiert, Maschinengewehre nach Saudi-Arabien und Ägypten bekam Ersatzteile für Panzer. Nach Darstellung der Bundesregierung sollten bestimmte Länder, die in Konfliktregionen einen "Stabilitätsanker" darstellen, ertüchtigt werden, "eine friedenserhaltende, stabilitätserhaltende Rolle zu spielen."

Die katholische Kirche sieht die Gefahr eines Dammbruchs in der deutschen Rüstungspolitik. "Aus der Ausnahme scheint eine Regel geworden sein", hatte der Leiter des katholischen Büros in Berlin, Karl Jüsten, anlässlich der Vorstellung eines anderen, von den Kirchen in Auftrag gegebenen Rüstungsexportberichtes Anfang der Dezember gesagt.

"Kein x-beliebiges Exportgut"

Sein evangelischer Kollege Bernhard Felmberg hatte damals hinzugefügt: "Es ist ein gefährlicher Trugschluss zu glauben, dass Lieferungen von Waffen oder Kriegsgerät zur Stabilisierung der Lage in Konfliktregionen beitragen könnten."

Dem Bericht der "Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung" zufolge sind 2011 deutsche Rüstungsgüter in 64 Länder gegangen, in denen die Situation der Menschenrechte bedenklich sei. 2010 seien noch 48 gewesen. Es entstünde der Eindruck, dass Menschenrechte anderen Interessen untergeordnet würden, hatte Jüsten damals bilanziert.

Wie restriktiv ist die deutsche Rüstungspolitik? Sehr, sagte der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende, Martin Lindner, am Donnerstag im Bundestag, als über den Rüstungsexportbericht der Bundesregierung debattiert wurde. Die Politik sei immer restriktiv gewesen und werde es auch weiterhin bleiben.

Joachim Pfeiffer (CDU) sagte, Rüstungsexporte trügen zur Friedenssicherung und zum Schutz von Menschenrechten bei. Zudem leiste die deutsche Rüstungswirtschaft "einen Beitrag zur Sicherheit in Deutschland." In einer nach der Debatte veröffentlichen Stellungnahme sagte Pfeiffer weiter: "Wir haben in Deutschland eines der strengsten Kontrollregimes weltweit, welches sich eng an die europäischen Vorgaben hält."

Waffen seien "kein x-beliebiges Exportgut", hielt Edelgard Bulmahn (SPD) im Plenum dagegen: "Die Lieferung von Waffen in unsichere Staaten hat sich nie ausgezahlt." Geht es nach der Linkspartei, sollte Deutschland den Rüstungsexport gänzlich einstellen. "Waffenlieferungen machen die eigene Politik unglaubwürdig", sagte Gregor Gysi. Ein entsprechender Antrag der Linken wurde mit den Stimmen von CDU/CSU, FDP und SPD in den Ausschuss für Wirtschaft und Technologie überwiesen.

Die Frage der Transparenz

Überdies kritisierte die Opposition eine mangelnde Transparenz der Rüstungsexporte und mahnte eine stärkere Kontrolle an. Die Politik der Regierung sei "eine Mischung aus Geheimniskrämerei und Nebelkerzenwerfen", sagte Klaus Barthel (SPD).

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Video: © Agathe Lukassek

Prälat Karl Jüsten, Leiter des Katholischen Büros in Berlin, zur Debatte um die Suizidbeihilfe.

Zwar wurde ein Antrag der SPD abgelehnt, der die Bundesregierung aufforderte, den Rüstungsexportbericht in Zukunft spätestens drei Monate nach Ablauf des Jahres zu veröffentlichen. CDU-Mann Pfeiffer sagte aber, dass der Bundestag zeitnah über Exporte informiert werden müsse. Rainer Stimmer (FDP) fügte hinzu, noch in dieser Legislaturperiode einen neuen Rhythmus der Informationen anstreben zu wollen.

Eine Forderung nach mehr Transparenz beim Geschäft mit Waffen fordert auch die Kirche. Karl Jüsten hatte es im Interview mit katholisch.de Anfang Dezember auf den Punkt gebracht: "Warum darf sich damit nur der Bundessicherheitsrat befassen und nicht auch das Parlament? Wenn mit diesen Waffen nichts Böses im Schilde geführt wird, dann muss man über die Waffen auch eine öffentliche Debatte führen dürfen."

Von Christoph Meurer