Zulehner: Homosexualität und Missbrauch nicht vermengen
In der Missbrauchsdebatte kritisiert der Wiener Theologe Paul Zulehner das immer wieder zu hörende Argument, es gebe in der Kirche Missbrauch, weil es viele homosexuelle Priester und Bischöfe gebe. "Diese Vermengung von Homosexualität und Missbrauch teile ich aus wissenschaftlichen Gründen nicht", schrieb Zulehner in einem neuen Blogbeitrag auf seiner Internetseite. Er kenne viele Homo- wie Heterosexuelle, "die eine reife und integrierte Sexualität haben und keine Kinder missbrauchen", so der Theologe. Er kenne aber auch Verheiratete, "deren Sexualität trotz Ehe nicht integriert ist und die Kinder missbrauchen".
Es sei also "keine Frage der sexuellen Ausstattung, sondern der sexuellen Reife", ergänzte Zulehner: "Mag sein, dass der Zölibat bei manchen das Reifen behindert." Aber könne auch in einer Ehe passieren: "95 Prozent des Missbrauchs geschieht in familiärem Umkreis." Gefährlich könne es allerdings werden, so der Theologe, wenn ehelos-unreife Priester ihre klerikale Macht missbrauchten und wenn ihnen dann noch Kinder zur Seelsorge anvertraut würden, ohne dass es irgendeine Form der Kontrolle gebe. Zulehner betonte weiter, es sei wichtig, auf dem Weg zum Priesteramt die sexuelle Reife jedes Kandidaten streng zu prüfen.
Seit Ende 2016 neue Leitlinien zur Priesterausbildung
Bereits Ende 2016 hatte der Vatikan neue Richtlinien zur Priesterausbildung erlassen. Darin wird der Blick verstärkt auf die psychologische Reife der Kandidaten gerichtet. Dazu gehöre neben einer stabilen Persönlichkeit auch eine "gut integrierte Sexualität". Die Richtlinien betonen aber auch, dass die Kirche jene nicht zur Weihe zulassen könne, "die Homosexualität praktizieren, tiefsitzende homosexuelle Tendenzen haben oder eine sogenannte 'homosexuelle Kultur' unterstützen".
Für eine neue Diskussion über den Zusammenhang von Homosexualität und Missbrauch hatte das Memorandum des ehemaligen Apostolische Nuntius in den USA, Erzbischof Carlo Maria Vigano, gesorgt. Darin beschuldigte er Papst Franziskus nicht nur der Vertuschung von Missbräuchen, sondern sprach in diesem Zusammenhang auch von "homosexuellen Netzwerken", die es auszumerzen gelte. Kritiker werfen Vigano und seinen Unterstützern vor, das Thema Missbrauch für eine Grundsatzdebatte über das Verhältnis von Kirche und Homosexualität zu instrumentalisieren. Gleichzeitig solle ein "Sündenbock" für den Skandal gefunden werden. (bod/KNA)