In Brauneberg teilen sich Katholiken und Protestanten eine Kirche

Zwei Kirchen unter einem Dach

Veröffentlicht am 29.12.2015 um 00:01 Uhr – Von Birgit Reichert (dpa)  – Lesedauer: 
Ökumene

Brauneberg ‐ Vom Konfessionsstreit keine Spur: In Deutschland gibt es rund 70 Kirchen, in denen Protestanten und Katholiken simultan Messe feiern. In Brauneberg an der Mosel kommen die Katholiken im Winter sogar auf die evangelische Seite. Denn dort ist es wärmer.

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Da höre man ein bisschen die Orgel von der anderen Seite, aber das störe nicht. Danach treffen sich die Gläubigen dann vor der Kirche mit ihren zwei Eingängen. Die Brauneberger Kirche ist eine der wenigen evangelisch-katholischen Simultankirchen in Deutschland.

Weniger Heizkosten im Winter

Im Winter rücken die Katholiken und Protestanten im Dorf mit etwa 700 Einwohnern sogar noch enger zusammen. "Um Heizkosten zu sparen, gehen wir Katholiken für unsere Gottesdienste in den evangelischen Teil der Kirche", sagt der Vorsitzende des Förderkreises der katholischen Kirchengemeinde, Alfred Reimer. Denn dieser ist kleiner und somit günstiger zu heizen: Die Protestanten besitzen ein Drittel der Fläche, die Katholiken zwei Drittel. So könnten die Katholiken im Winter ein paar hundert Euro sparen, sagt Günther Hau (63), Mitglied im katholischen Kirchengemeinderat.

Der katholische Teil der Simultankirche in Brauneberg.
Bild: ©dpa/Harald Tittel

Der katholische Teil der Simultankirche in Brauneberg.

Das Gastrecht gilt auch andersrum. "Wenn wir große Beerdigungen haben und mehr als 130 Plätze brauchen, gehen wir in den katholischen Teil", sagt der evangelische Pfarrer. Denn dort ist Platz für gut 500 Gläubige. "Wir können die Kirche also für uns beide vorteilhaft nutzen." Daher komme auch niemand auf die Idee, die Mauer wieder abzureißen. "Im ungeteilten Zustand ist die Kirche für Brauneberg überdimensioniert." In dem Ort im Kreis Bernkastel-Wittlich ist etwa die Hälfte der Einwohner katholisch, die andere Hälfte evangelisch.

Die Mauer war 1956 gezogen worden, weil sich keiner für die Kirche zuständig fühlte und der Kirchturm umzustürzen drohte. "Es mussten klare Besitzverhältnisse her", sagt Berke (53). Aufgeteilt wurde dann auf der Grundlage der Finanzierung der Kirche beim Bau im Jahr 1777: Die Protestanten bekamen den kleineren Raum im früheren Chor, die Katholiken einen größeren im Hauptschiff. Die Altäre stehen jeweils an der Mauer, nur wenige Zentimeter voneinander entfernt.

Dass in Brauneberg eine Simultankirche steht, hat historische Gründe. Der Ort gehörte seit dem Mittelalter zu einer evangelischen Enklave zwischen den sonst katholischen Gemeinden an der Mosel. Und der französische König Ludwig XIV. (1643-1715) bestimmte als oberster Landesherr 1684 mit einem Erlass, dass in allen Orten mit einer Kirche diese beiden Konfessionen gehören sollte.

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Das war auch der Grund, warum es im linksrheinischen Südwesten Deutschlands einst viele Simultankirchen gab, sagt Berke. In ganz verschiedenen Modellen: Teils wurde die Kirche im Schichtbetrieb abwechselnd genutzt, mal der Raum aufgeteilt. "Bis ins 19. Jahrhundert hinein gab es in fast in jedem Hunsrückdorf und an der Nahe eine Simultankirche", sagt der Pfarrer. Danach wurden sie "Zug um Zug" aufgelöst - wenige blieben übrig.

Nach Angaben der Deutschen Bischofskonferenz gibt es bundesweit rund 70 evangelisch-katholische Simultankirchen. Die meisten davon, etwa 30, liegen in Rheinland-Pfalz. Zu den bekannteren gehören laut Pfarrer Berke die Stiftskirche in Neustadt an der Weinstraße (Pfalz), der Dom St. Petri zu Bautzen (Sachsen), der Wetzlarer Dom (Hessen) und der Altenberger Dom (Nordrhein-Westfalen).

Gemeinsames Pfarrfest

Im Bistum Trier sei heute noch etwa ein halbes Dutzend solcher Kirchen bekannt, sagt Matthias Neff vom Bischöflichen Generalvikariat in Trier. Dazu zählen etwa die Simultankirche in Bendorf bei Koblenz, wo beide Kirchen aneinandergebaut und durch Kirchturm und Tür verbunden sind. Oder die Kirche St. Antonius in Hahn im Hunsrück, in der beide Gemeinde abwechselnd Gottesdienste feiern. Generell funktioniere "das Miteinander gut", sagt Neff.

"Es gibt keine Probleme", sagen auch Reimer und Berke in Brauneberg. Im Gegenteil: das Verhältnis zwischen beiden Konfessionen sei "sehr gut". So gut, dass man im Jahr 2005 den Kirchturm und 2008 dann das Kirchengebäude zusammen gestrichen habe. 2013/2014 sei dann in einer "ökumenischen Aktion" der Kirchturm repariert worden. Die Chöre singen zusammen, es gibt ökumenische Gottesdienste - und im vergangenen Jahr ging zum zweiten Mal ein gemeinsames Pfarrfest über die Bühne. "Hier wird Ökumene gelebt", sagt Reimer (73).

Dossier: Ökumene

Ein Haus mit vielen Wohnungen: So lässt sich - vereinfacht - die Ökumene beschreiben. Das Haus, das viele Kirchen und Gemeinschaften beherbergt, umspannt die ganze Welt. Die Familien in diesem Gebäude sind Katholiken, Protestanten, Orthodoxe, Kopten, Altkatholiken, Anglikaner und Freikirchler.
Von Birgit Reichert (dpa)