Das sagen die Parteien zum Lebensschutz
Am 24. September sind über 60 Millionen Deutsche aufgerufen, einen neuen Bundestag zu wählen. Jeder Wähler hat dabei ganz eigene Fragen, die für seine Entscheidung maßgeblich sind. Für manchen steht die Arbeitsmarktpolitik im Vordergrund, für andere Familienpolitik oder der Umweltschutz.
Katholisch.de hat die Wahlprogramme von CDU/CSU, SPD, Linken, Grünen, FDP und AfD analysiert. Dabei ging es um sieben Themenbereiche, die für die Kirche eine besondere Rolle spielen. Welche Ziele und Forderungen haben die Parteien hier? Und welche die Kirche selbst? Um das zu erfahren, hat katholisch.de zusätzlich je ein Hilfswerk oder einen Verband um die "katholische Stimme" zum jeweiligen Politikbereich gebeten. Teil 2 der Serie behandelt das Thema Lebensschutz.
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CDU/CSU - Christlich Demokratische Union/Christlich Soziale Union
"Wir bekennen uns zum Schutz des menschlichen Lebens und zum Schutz der Menschenwürde, gerade in Grenzsituationen", schreiben die Unionsparteien in ihrem Programm zur Bundestagswahl 2017. Die rasanten Fortschritte in der Medizin sollten nutzbar gemacht werden, heißt es weiter, zugleich "aber auch ethische Grenzen erhalten" bleiben. Was hier im Einzelnen gemeint ist und wo die Parteien in medizinischer Forschung und Behandlung Grenzen ziehen möchten, sagt das Wahlprogramm nicht.
Den Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung wollen CDU und CSU "entschlossen" vorantreiben, wie an anderer Stelle zu lesen ist. An ihr werde deutlich, "dass der Mensch im Mittelpunkt steht. In allen Lebensphasen, bis zuletzt." Zudem bekennen sich die Unionsparteien zur Ächtung der Todesstrafe und zum Schutz der Menschenwürde, wie sie in der Europäischen Grundrechtecharta verankert sind. Dass die Geburtenzahlen steigen, sei "eine große Ermutigung". Eindeutige Passagen zu Schwangerschaftsabbruch oder künstlicher Empfängnisverhütung sowie eine Haltung zu den verschiedenen Formen der Sterbehilfe finden sich im Wahlprogramm nicht.
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SPD - Sozialdemokratische Partei Deutschlands
Das Programm der SPD beinhaltet kaum konkrete Aussagen zum Schutz des menschlichen Lebens am Anfang und Ende. "In Deutschland, auf europäischer Ebene und weltweit setzen wir uns dafür ein, dass die Menschenrechtsstandards umgesetzt und weiterentwickelt werden", heißt es da. Hierzu würde insbesondere auch die Ächtung der Todesstrafe gehören. Zum Thema Lebensanfang sagt die Partei, dass Familienplanung nicht vom Geld abhängen dürfe. "Deshalb werden wir aus Steuermitteln für Frauen mit niedrigem Einkommen den kostenlosen Zugang zu Verhütungsmitteln sicherstellen."
In vielen Passagen formuliert die Partei, dass sie sich für eine "gute Pflege" einsetzen möchte. Pflegende Angehörige sollten besser unterstützt werden, der Beruf des (Alten-)Pflegers mehr Anerkennung erfahren und alte Menschen "bei zunehmendem Hilfe- oder gar Pflegebedarf die notwendige Unterstützung erhalten". Pflege am Lebensende, namentlich Hospiz- und Palliativversorgung, wird jedoch nicht eigens angesprochen.
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Die Linke
"Für das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und Selbstbestimmung über den eigenen Körper" will sich die Linke einsetzen. In diesem Sinne seien die Paragraphen 218 und 219 aus dem Strafgesetzbuch zu streichen, die Schwangerschaftsabbruch als Straftatbestand aufführten und "nur unter der Bedingung einer Zwangsberatung" in den ersten drei Monaten straffrei ließen. Die Partei möchte "das Recht auf und den Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen wohnortnah und barrierefrei" gesetzlich garantieren, heißt es im Wahlprogramm.
Plankrankenhäuser sollen verpflichtet werden, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen. Die Empfängnisverhütung sei "Teil der Selbstbestimmung aller Menschen", weshalb sämtliche Verhütungsmittel in den Leistungskatalog der Krankenkassen aufzunehmen und von diesen vollständig zu tragen seien. Die Partei spricht sich für eine "gute Pflege für alle" sowie Altern "in Würde" aus, auf Palliativdienste und Hospizarbeit wird allerdings nicht eigens eingegangen. Die Linke möchte sich außerdem für eine bessere Hygiene und gegen den Personalmangel in Krankenhäusern einsetzen. Sie seien Ursachen von jährlich "bis zu 15.000 vermeidbaren Todesfällen" durch Krankenhausinfektionen.
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Grüne - Bündnis 90/Die Grünen
Auf "das Selbstbestimmungsrecht von Frauen und Mädchen über ihren Körper" pochen die Grünen. "Bei ungewollter Schwangerschaft brauchen Frauen wohnortnahe Unterstützung und Hilfe, keine Bevormundung und keine Strafe", heißt es im Wahlprogramm. Das "Recht einer selbstbestimmten Familienplanung" sei zu stärken. Deshalb müssten Menschen mit geringem Einkommen kostenfrei und unkompliziert Zugang zu Verhütungsmitteln erhalten.
Für Opfer von Vergewaltigungen solle "eine qualifizierte Notfallversorgung einschließlich anonymer Spurensicherung und der Pille danach sichergestellt" werden. Sterbenden müsse "ein Lebensende in Würde" ermöglicht werden. "Einen wichtigen Beitrag hierfür leisten die Hospizbewegung und die Palliativversorgung, deren Rahmenbedingungen wir verbessern wollen", schreibt die Partei. Mit der "Pflege-Zeit Plus" wollen die Grünen außerdem einen Lohnersatz für die Zeit der Pflege von Angehörigen schaffen.
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FDP - Freie Demokratische Partei
Die FDP will den Menschen individuelle Möglichkeiten anbieten, "am Ende des Lebens einen selbstbestimmten Weg zu gehen". Daher müssten neue Hospize eingerichtet und die "Palliativversorgung in Kliniken, Alten- und Pflegeheimen sowie im häuslichen Umfeld erweitert werden", heißt es im Wahlprogramm. Die Personal- und Finanzierungssituation in Pflegeheimen solle durch einen "Palliativaufschlag" den besseren Rahmenbedingungen in Hospizen angeglichen werden. Für Menschen, die zu Hause sterben wollen, muss laut der Partei eine "spezialisierte ambulante Palliativversorgung" (SAPV) flächendeckend verfügbar sein. Solche Teams aus Ärzten, Psychologen und Seelsorgern würden "den Sterbenden und ihren Angehörigen den Abschied vom Leben" erleichtern.
Dagegen müsse der neue § 217 StGB wieder abgeschafft werden, fordert die Partei. Denn die Strafandrohung für die Beihilfe zur Selbsttötung eines Schwerkranken schaffe eine "erhebliche Grauzone" für Palliativmediziner. Zudem werde das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient beeinträchtigt und das "Selbstbestimmungsrecht als Kern der Menschenwürde" verletzt. "Daher fordern wir eine bundeseinheitliche Regulierung, unter welchen Umständen die ärztliche Assistenz bei der Selbsttötung sanktionsfrei ist." Des Weiteren will sich die Partei für einen "offenen Umgang mit den Möglichkeiten der modernen Reproduktionsmedizin" einsetzen. Allen Menschen solle der Zugang zu entsprechenden Angeboten gegeben werden; der Staat müsse hier "freie Entscheidungen ermöglichen, die ethisch vertretbar sind". Eizellspenden und nichtkommerzielle Leihmutterschaft sollen laut FDP "unter Auflagen erlaubt werden".
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AfD - Alternative für Deutschland
Die AfD will durch Aufklärung "junge Menschen ermutigen und in die Lage versetzen, eine Familie zu gründen und zu erhalten". Daher sollen laut der Partei "anerkannte Regeln" unter anderem zu "Lebensschutz und Kindererziehung in Lehrplänen und Schulbüchern aller allgemeinbildenden Schulen wieder fester Bestandteil werden". "Auch ungeborene Kinder haben ein Recht auf Leben", heißt es im Wahlprogramm. Dieses Recht werde jedoch häufig "der Selbstverwirklichung oder sozialen Zukunftsängsten untergeordnet". Dem will die AfD durch "konkrete Hilfen" entgegentreten und den "lebensrettenden Ausweg der Adoption erleichtern und fördern". "Die Schwangerschaftskonfliktberatung muss tatsächlich dem Schutz des Lebens dienen", fährt die Partei fort. Gegebenenfalls seien gesetzliche Korrekturen nötig, um einen "wirksamen Lebensschutz" zu gewährleisten.
Die Meldepflicht für Abtreibungen ist in den Augen der AfD zu verbessern. Ärzte, die eine Meldung unterlassen, sollten "spürbar" sanktioniert werden. "Wir lehnen alle Bestrebungen ab, die Tötung Ungeborener zu einem Menschenrecht zu erklären." Außerdem will die Partei "die Fürsorge für pflegebedürftige Angehörige besser unterstützen". Diese Familienarbeit sei gleichwertig und müsse anerkannt werden wie jede andere berufliche Tätigkeit. Die Partei wirbt für eine höhere Akzeptanz von Pflegeberufen und will dem dortigen Personalmangel begegnen. Pflege am Lebensende kommt im Programm jedoch nicht explizit zur Sprache.
Die katholische Stimme: Der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF)
Gesellschaftliche und politische Diskussionen zum Anfang und Ende des Lebens sind sensibel und reichen besonders weit in das persönliche Leben der Menschen. Es geht darum, die Verantwortung jedes Einzelnen zu stärken und gute Rahmenbedingungen für Entscheidungen und den Umgang mit den Konsequenzen zu schaffen. Ziel sollte es sein, einen gesellschaftlichen Konsens zu erlangen, der die Grundwerte schützt und den möglichst viele Menschen für ihr eigenes Leben annehmen können.
In der kommenden Legislaturperiode werden Debatten geführt werden, die diese Fragen betreffen. Die globale Weiterentwicklung der Reproduktionsmedizin oder der Stammzellforschung und die damit eng zu verbindenden Fragen des Embryonenschutzes, Fragen von Kinderwunsch und Elternschaft stehen zur weiteren Diskussion an und bedürfen der – nicht nur juristischen - Klärung. Gerade die ethische Auseinandersetzung um Beginn und Ende, Würde und Wert allen menschlichen Lebens darf dabei nicht zu kurz kommen.
So konstatierte der Deutsche Ethikrat 2016: "[Es] ... wird bereits deutlich, dass viele schon lange diskutierte ethische, rechtliche und soziale Grundsatzfragen bezüglich der Fortpflanzungsmedizin – etwa zum moralischen Status des Embryos, zur Entstehung von und zum Umgang mit überzähligen Embryonen, zum Lebensschutz von Embryonen, zur Fortpflanzungsfreiheit und zum Verständnis von Familie – in neuer Schärfe aufkommen." Diese Schärfe besteht auch, weil in anderen europäischen Ländern bereits weitreichende Verfahren angewendet werden.
Wir erwarten von den politischen Entscheidungsträgern, dass sie die Fragen sorgsam und umfassend debattieren und möglichst viele unterschiedliche Positionen in die Entscheidungsfindung einbeziehen. In der Vergangenheit sind durch das Ringen um das Embryonenschutzgesetz, um das Gendiagnostikgesetz und auch um Palliativmedizin und Sterbehilfe gute Grundlagen geschaffen worden, die helfen, verantwortungsvoll mit dem Lebensbeginn, mit Krankheit und dem Lebensende umzugehen. "Prüfet alles", ja, das sind wir den medizinischen und technischen Entwicklungen und auch dem gesellschaftlichen Wandel schuldig. Am Ende eingehender Reflektion muss aber klug abgewogen werden, welche Regelungen bestehen bleiben und welche verändert werden, dann gilt: "… und behaltet das Gute"! (1. Thessalonicher)