Benjamin Leven über Vorwürfe gegen Franziskus

Der Papst kann zu Vigano nicht schweigen

Veröffentlicht am 03.09.2018 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Standpunkt

Bonn ‐ Benjamin Leven über Vorwürfe gegen Franziskus

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Der ehemalige Botschafter des Papstes in den USA wirft dem Papst – und indirekt zahlreichen Kurienmitarbeitern – in einem elfseitigen Papier vor, jahrelang Hinweise auf sexuelle Übergriffe von US-Kardinal Theodore McCarrick ignoriert zu haben, obwohl schon Benedikt XVI. diesem deshalb die Ordre gegeben habe, nicht mehr öffentlich aufzutreten. In den letzten Tagen ist von vielen auf "Ungereimtheiten" in den Aussagen von Erzbischof Carlo Maria Viganò hingewiesen worden, auf dessen eigene "Leichen im Keller" und auf seine offensichtlich konservative kirchenpolitische Agenda.

Dennoch bleibt die Frage, ob es denn im Kern zutrifft, was Viganò behauptet. Es ist in gewisser Weise wie bei einem Mafia-Aussteiger. Der hat vorher Leute erschossen. Seine Motive sind nicht ganz edel. Er will gewisse Personen schonen und andere fallen sehen. Natürlich wäre seine Aussage glaubwürdiger, wenn er auch eigene Schuld eingestehen würde. Trotzdem darf man die Vorwürfe nicht leichtfertig abtun. Nicht zuletzt, weil bereits mehrere Fälle dokumentiert sind, in denen der Papst gegen die von ihm verkündete Null-Toleranz-Politik verstoßen hat. Er hat bei Personen, die sexuelle Übergriffe begangen oder diese vertuscht haben, Warnungen übergangen. Der bekannteste Fall ist der chilenische Bischof Juan Barros.

Hier musste der Papst nach großem öffentlichen Druck "schwere Fehler" bei der Einschätzung der Situation zugeben. Auch im Fall McCarrick wird der Papst auf Dauer nicht schweigen oder sich hinter der Behauptung seiner Verteidiger verstecken können, es handle sich doch nur um eine antipäpstliche Verschwörung. Leider hilft auch der Hinweis nicht weiter, man dürfe sich eben nicht der Illusion hingeben, die Erneuerung der Kirche hinge von einer "Lichtgestalt an der Spitze" ab. In einem hierarchischen System wie dem Vatikan und der katholischen Kirche hängt alles vom Papst ab. Kontrolle, Transparenz, "Checks and Balances" kann es hier nur geben, wenn der Papst es zulässt – und auch sich selbst nicht davon ausnimmt.

Von Benjamin Leven

Der Autor

Benjamin Leven ist Redakteur der Herder Korrespondenz in Berlin und Rom.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.