Roland Müller über das Treffen der chilenischen Bischöfe im Vatikan

Die Glaubwürdigkeit des Papstes steht auf dem Spiel

Veröffentlicht am 16.05.2018 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Standpunkt

Bonn ‐ Roland Müller über das Treffen der chilenischen Bischöfe im Vatikan

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Nun ist es also so weit: Die chilenischen Bischöfe sind im Vatikan. Seit Dienstag beraten sie gemeinsam mit Papst Franziskus darüber, wie sich ihre Kirche erneuern kann. Auslöser für die Einbestellung ins entfernte Europa war der Bericht des päpstlichen Sonderermittlers Charles Scicluna. Er sollte den Fall des Bischofs Juan Barros untersuchen, der Missbrauchsfälle vertuscht hatte, doch er fand ein weitere Problem in Chile vor: das Fehlen von synodalen Strukturen, ein unwürdiger Umgang mit Missbrauchsopfern und selbstherrliche Bischöfe. Daher will Franziskus in Chile Veränderungen "auf kurze, mittelfristige und lange Sicht", wie er in seinem Brief an die chilenischen Bischöfe schreibt. Nicht nur aus Chile schauen nun viele Menschen nach Rom, ob Franziskus sein Wort hält.

Die Glaubwürdigkeit des Papstes steht auf dem Spiel, denn Zweifel an der Umsetzung der hehren Pläne von Franziskus sind durchaus berechtigt. Bereits seine Vorgänger hatten ganze Bischofskonferenzen wegen Missbrauchsskandalen in den Vatikan zitiert: 2002 bestellte Johannes Paul II. 12 der 13 US-Kardinäle zu sich. Benedikt XVI. las im Jahr 2010 dem gesamten irischen Episkopat die Leviten. Außer Bischofsrücktritten gab es in diesen Fällen jedoch kaum Folgen. Franziskus möchte es besser machen – das zeigen seine Worte im Brief an die Bischöfe Chiles. Doch er hat nicht vor, ihnen allzu konkrete Vorgaben zu machen. Vielmehr will er einen gemeinsamen Prozess der Unterscheidung zur "Wiederherstellung der kirchlichen Gemeinschaft in Chile". Wohl wegen dieser sensiblen Gespräche verkündete der Vatikan jüngst, dass sich der Papst weder während noch nach dem Treffen zu deren Inhalten äußern werde. Transparente kirchliche Kommunikation sieht anders aus.

Doch Franziskus' bisherige Taten sprechen für sich: Er gab zu, sich in der Bewertung des "Falles Barros" geirrt zu haben, bat deswegen öffentlich um Vergebung und lud drei Opfer des Missbrauchs-Priesters Fernando Karadima zu persönlichen Gesprächen in den Vatikan – alles vor seinem Treffen mit den Bischöfen. Die Botschaft ist klar: Das Wohl der Opfer hat Vorrang vor den Interessen der Kirche. Nun ist es an Franziskus, seinen Worten weiterhin Taten folgen zu lassen. Beobachter erwarten Rücktritte von Bischöfen, vielleicht sogar von Santiagos Kardinal Ricardo Ezzati. Doch der Austausch von Personal allein reicht nicht. Eine baldige Veränderung der kirchlichen Mentalität in Chile ist gefordert – hin zu der von Franziskus oft beschworenen "verbeulten Kirche" im Dienst an den Menschen. Ansonsten könnte neben dem Ansehen der Kirche auch das des Papstes Schaden nehmen.

Von Roland Müller

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