Matthias Drobinski über das Weiheverbot für Homosexuelle

Ein Ärgernis für die Kirche

Veröffentlicht am 13.12.2016 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Standpunkt

Bonn ‐ Matthias Drobinski über das Weiheverbot für Homosexuelle

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Die Richtlinien des Vatikans, die weiterhin homosexuelle Männer vom Priesteramt ausschließen, sind ein Ärgernis und ein Unglück für die katholische Kirche. Ein Ärgernis sind sie, weil sie Menschen unter einen Generalverdacht stellen. Wer "tiefliegende homosexuelle Tendenzen" offenbart, heißt es dort, befinde sich in einer Situation, "die in schwerwiegender Weise daran hindert, korrekte Beziehungen zu Männern und Frauen aufzubauen."

Ist also ein Schwuler beziehungsbehindert? Einer, der Frauen verachtet, bei Männern nur an Sex denkt und am Ende auch vor Kindern nicht haltmacht, der, statt seine Triebe zu steuern, von ihnen gesteuert wird? Das entspricht der Vorstellung, die man in Deutschland vor 50 Jahren landläufig von Homosexuellen hatte, als sie nie sicher waren vor Verfolgung. Das entspricht der Sichtweise, aus der heraus in vielen Ländern heute homosexuelle Menschen als Perverse stigmatisiert werden, mit zunehmender Aggressivität und Gewaltbereitschaft.

Die Richtlinien aus der Kleruskongregation enthalten auch kluge und bedenkenswerte Sätze - in diesem Punkt aber tun sie allen schwulen Priestern Unrecht, die aus vollem Herzen, überzeugt und gut ihren Dienst tun. Es gibt sie, jedes Kleruskongregationsmitglied weiß das und Papst Franziskus auch; man kann höchstens streiten, ob 20, 25 oder 30 und mehr Prozent aller Priester schwul sind. Ihnen wird hier kollektiv und essenziell die Eignung zu ihrem Dienst abgesprochen: Ihr könnt euch mühen, wie ihr wollt, es hilft nichts. Schwul heißt: defizitär.

Dabei gilt doch eher: Wenn manche schwule Priester Schwierigkeiten haben, korrekte Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen, dann liegt das weniger am Schwulsein, sondern vielmehr an der Verdrängung ihrer Sexualität, an der Heimlichkeit, in der jede Form von Zärtlichkeit und Zuneigung stattfinden muss, die auch ein Priester braucht, um Zuneigung weitergeben zu können. Das Problem wird nicht angegangen, es wird verdrängt, geleugnet, auf den Einzelnen abgewälzt. Die Richtlinien sind ein Förderprogramm für Doppelmoral, Heimlichtuerei und kircheninduzierte Neurose.

Wie aber will dann die katholische Kirche bei den Menschen sein, wie das Papst Franziskus will? Wie will sie dafür werben, dass ihre Beziehungsregeln nicht schikanöser Machtanspruch sind, sondern Hilfen fürs gute Leben? Es gäbe da viel zu diskutieren: über Sexualität, die zur Ware und zur allezeit zu erbringenden Leistung wird, bei Homo- wie Heterosexuellen; über Körperkult und Scham, über Bindung, Treue, Partnerschaft. Eine Kirche, aber, die homosexuellen Menschen bestenfalls Mitleid zukommen lässt, disqualifiziert sich von dieser Debatte.

Von Matthias Drobinski

Der Autor

Matthias Drobinski ist Redakteur bei der "Süddeutschen Zeitung" und dort unter anderem für die Berichterstattung über Kirchen und Religionsgemeinschaften zuständig.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.