Eine große Irritation
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Schweigen stellt man sich anders vor. Hatte Benedikt XVI. bei seinem spektakulären Rücktritt 2013 nicht angekündigt, dass danach Schweigen und Gebet seine Bestimmung sein werden?
Sicher, man kann und darf von einem Intellektuellen wie dem emeritierten Papst nicht erwarten, dass er nichts mehr schreibt. Es war auch bekannt, dass er zu dem ein oder anderen Gespräch zur Verfügung steht. Schlechterdings musste man damit rechnen, dass nach seinem Tod Äußerungen aus dieser Zeit von ihm publiziert werden, die noch einmal als eine Art geistliches Testament, aus dem Abstand zum eigenen Amt erwachsen, in die Öffentlichkeit gelangen. Aber dass zu seinen Lebzeiten abermals ein Interviewbuch erscheint, ist doch überraschend. Als "Letzte Gespräche" betitelt, ist es jetzt Ende letzter Woche erschienen und wird heute vorgestellt.
Man sollte und braucht die einzelnen Aussagen nicht überbewerten. Letztlich finden sich in dem Buch ja auch vor allem noch einmal Antworten auf Fragen nach der eigenen Lebensgeschichte, in denen auch viel Aufrichtigkeit Benedikts XVI. hervortritt.
Das Problem besteht vor allem darin, dass der zurückgetretene Papst sich überhaupt in dieser Form äußert. Dabei werden nebenbei manche (Vor-)Urteile aus früheren Zeiten etwa zum europäischen Katholizismus oder auch zum Zustand der Theologie wieder aufgewärmt und auf diese Weise alte Konflikte neu befeuert. Vor dem Hintergrund der jüngst in Rom von interessierter Seite entwickelten Theorie, dass Benedikt XVI. weiterhin Anteil am Papstamt habe, verschärft sich die Sache.
Das gilt besonders für die katholische Kirche in Deutschland. Mit weiterhin großen Mühen ist sie derzeit dabei, sich vom Schwung des amtierenden Papstes Franziskus wieder neu beflügeln zu lassen. Die Neuerscheinung ist da vor allem eine große Irritation.