Standpunkt

Hilflos an der Macht

Veröffentlicht am 29.05.2019 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ So ohnmächtig wie Politiker auf "Fridays for Future" reagieren, so verhalten sich die Bischöfe angesichts "Maria 2.0", kommentiert Ludwig Ring-Eifel. Er sieht revolutionäre Zeiten auf Kirche und Gesellschaft zukommen.

  • Teilen:

HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.

Eines haben viele katholische Bischöfe und führende deutsche Politiker derzeit gemeinsam: Sie wirken wie Getriebene und ringen um Antworten auf aktuelle Bewegungen und Kampagnen - die wiederum von Medien verstärkt und unkritisch gehypet werden. Und bislang reagieren einige Bischöfe auf die Forderungen der "Maria 2.0"-Kampagne ähnlich unbeholfen wie die CDU-Führung auf die Fridays-for-Future-Demonstrationen und ihre Ausläufer in den Sozialen Medien.

Die noch Mächtigen spüren offenbar, dass da etwas heranrollt, was sich ihrer Kontrolle und ihren eingeübten institutionellen Reaktionsmustern entzieht. Sie versuchen es zunächst mit einer Mischung aus Verständnis (für ein "berechtigtes Anliegen") und Vorwürfen gegen jene, die beim Protestieren geltende Regeln durchbrechen: hier durch Schulschwänzen, dort durch Gottesdienstboykott. Die Bewegungen bleiben von beidem unbeeindruckt.

Vergebens versuchten Dutzende von PR-Experten und Social-Media-Redakteuren in den Parteizentralen und Bistumsleitungen, noch eine Weile dagegenzuhalten. Die Verteidigung der bisherigen Positionen wird nicht einfacher dadurch, dass viele Angestellte der Hierarchie längst mehr oder weniger offen mit den Forderungen der neuen Bewegungen sympathisieren. Ein Gefühl der unentrinnbaren, sich beschleunigenden Zwangsläufigkeit hat sich breitgemacht. In der Politik heißt das: Wenn wir jetzt nicht sofort die fossilen Energieträger ersetzen, stirbt der Planet. Und bei den Katholiken: Wenn wir nicht ganz rasch die Kirche radikal reformieren, laufen die letzten Gläubigen weg.

Ob das alles so stimmt, ist zweitrangig. Das "Momentum" ist entscheidend, und seinem Sog kann sich derzeit offenbar kaum jemand entziehen. Ob in der katholischen Kirche ein "verbindlicher synodaler Weg" ausreichen wird, um diese Dynamik aufzufangen und in positive Energie umzuwandeln, das bezweifle ich. Vielleicht stehen wir ja doch am Beginn einer ähnlich grundstürzenden Umbruchzeit wie in den 1960er Jahren. Und die mündete bekanntlich ins Zweite Vatikanische Konzil und in die kulturelle Revolution von 1968.

Von Ludwig Ring-Eifel

Der Autor

Ludwig Ring-Eifel ist Chefredakteur der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.