Theresia Lipp über die Thesen von Erik Flügge

Kirche für alle – inklusive heiligem Rest

Veröffentlicht am 11.05.2018 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Standpunkt

Bonn ‐ Theresia Lipp über die Thesen von Erik Flügge

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In einem am Dienstag veröffentlichten Interview mit der Augsburger Allgemeinen tat Erik Flügge wieder einmal das, was er am liebsten tut: mit Sprache provozieren. Einen Tag vor Beginn des Katholikentags nannte der Autor und Politikberater das Event "eine brutale Geldverschwendung". Noch am selben Tag zeigte Flügge via Twitter Reue über das Gesagte und nannte das Interview nach nochmaligem Lesen"sehr missglückt". Stattdessen betonte er, dass der Katholikentag doch nicht überflüssig sei.

Die im Interview zunächst genannte These liegt jedoch auch Flügges gerade erschienenen Buch "Eine Kirche für viele statt heiligem Rest" zugrunde: Auch auf dem Katholikentag nähmen wieder nur die zehn Prozent teil, die ohnehin aktiv in der Kirche sind – die 90 Prozent der anderen Kirchensteuerzahler erreiche das Treffen in Münster nicht.

Flügges Ausführungen wirken so, als würde der kleine Teil aktiver Kirchenmitglieder es sich auf Kosten der breiten, zahlenden Masse gut gehen lassen. Die Realität sieht jedoch anders aus. Denn es ist gerade der "kleine Teil", der sich im Vorbereitungsteam den Kopf darüber zerbricht, wie der Familiengottesdienst attraktiv gestaltet werden kann, und der beim Pfarrfest hinter der Kuchentheke steht. Und es ist der kleine Teil, der es aushält, Sonntag für Sonntag in großen, leeren Kirchen zu sitzen, und trotzdem mit Herz die Auferstehung Jesu zu feiern, die bei aller Betriebswirtschaftslogik nun einmal nicht aus dem Katholizismus wegrationalisierbar ist.

Dass genau diese Menschen jetzt beim Katholikentag einfach einmal da sein und ihren Glauben feiern dürfen, ist mehr als gerechtfertigt. Denn es kommt hinzu: Die 90 Prozent wird man nur dann erreichen, wenn die zehn Prozent etwas ausstrahlen. Beide Gruppen gegeneinander auszuspielen und den wenigen aktiven Mitgliedern noch das letzte bisschen Glaubensfreude wegnehmen zu wollen, führt dagegen in die Irre.

Nicht zuletzt ist die gemachte Einteilung zu undifferenziert. Diejenigen, die hin und wieder in den Familiengottesdienst gehen oder den Katholikentag nur für eine bestimmte Veranstaltung besuchen und damit offenbar weder zu den "Aktiven" noch zur "breiten Masse" gehören, kommen in Flügges Schwarz-Weiß-Schema nicht vor. Lagerbildungen haben wir in der Kirche schon genug. Versuchen wir, nicht die einen gegen die anderen auszuspielen, sondern lieber gemeinsam begeistert Kirche zu sein.

Von Theresia Lipp

Die Autorin

Theresia Lipp ist Romanistin und Studentin der katholischen Theologie. Sie arbeitet als freie Mitarbeiterin für verschiedene katholische Medien.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.