Andreas Püttmann zur Versammlung der Görres-Gesellschaft

"Raum der Gründe" gegen "Verblödung"

Veröffentlicht am 01.10.2015 um 00:01 Uhr – Von Andreas Püttmann – Lesedauer: 
Standpunkt

Bonn ‐ Andreas Püttmann zur Versammlung der Görres-Gesellschaft

  • Teilen:

HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.

Gerade hatte Kardinal Marx vor der Gefahr der "Verblödung" durch manche privat-katholische Internetseiten gewarnt, die heiligen Eifer mit totalapologetischem Geifer verwechseln, da trafen sich über 400 (meist katholische) Christen, die von Berufs wegen der Bekämpfung der Dummheit verpflichtet sind, in Bonn zur 118. Generalversammlung der "Görres-Gesellschaft zur Pflege der Wissenschaft".

Bei 80 Vorträgen tauschten Professoren, Privatgelehrte und akademischer Nachwuchs drei Tage lang interdisziplinär ihre Erkenntnisse aus. Im Pontifikalamt hielt Bischof Heinrich Mussinghoff mit "Gaudium et Spes" ein starkes Plädoyer für die Autonomie der Wissenschaften. Der scheidende Vizepräsident, Ludger Honnefelder, warnte vor "religiösem Rigor" in weiten Teilen der Welt, "der außer der eigenen Überzeugung keine Gründe gelten lässt und den 'Raum der Gründe', der menschliche Kultur auszeichnet, der Zerstörung aussetzt". Der neue Präsident, Tübingens Universitätsrektor Bernd Engler, rief dazu auf, "allem Apodiktischen" sowie der Versuchung zu widerstehen, ein "weltabgewandtes Ideal einer selbstgenügsamen oder gar weltvergessenen Katholizität zu pflegen". Als Protektor betonte Kölns Kardinal Rainer Woelki, dass "Vernunft instrumentell und Glaube ideologisch werden können"; eine neu zu belebende Verbindung zwischen beiden müsse helfen, "einem religiösen Fundamentalismus entgegenzuwirken, der vor allem ein Feind Gottes ist".

Christentum kann zwar einfach gelebt werden: "Liebe – und tue was du willst" (Augustinus). Doch es ist eine geistig anspruchsvolle Religion. Die "Demokratisierung" christlicher Publizistik im Internetzeitalter birgt Gefahren, wenn die Falschen fleißig werden. "Follower"-bestärkt drängen neben klugen Internet-Missionaren auch unangemessen selbstbewusste Glaubens-Blockwarte einer neuen "Kirche von unten" in die Öffentlichkeit: lautstark, undifferenziert, denunziatorisch, bis ins Detail über den Willen Gottes im Bilde.

Dass, wie Kardinal Marx beklagte, "Szenen sich untereinander treffen, gegenseitig bestätigen und hochjubeln, aber nicht in einen Diskurs eintreten mit Andersdenkenden argumentativ", ist Sektenhabitus. Wie wohltuend dagegen, bei den Görresianern in katholisches Geistesleben einzutauchen – und notwendig für missionarisches "Rechenschaftablegen vor jedermann" (1 Petr 3,15)!

Eine breite Bildungsanstrengung in der Kirche ist das Gebot der Stunde. Denn: "Wenn man gegen die Grundforderungen der Vernunft verstößt, wird unsere Religion sinnlos und lächerlich sein" (Blaise Pascal).

Der Autor

Andreas Püttmann lebt als Journalist und Publizist in Bonn.

Diskutieren Sie mit!

Diskutieren Sie diesen Standpunkt auf unserem Facebook-Auftritt.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.
Von Andreas Püttmann