Thomas Arnold über Andrej Holms Stasi-Vergangenheit

Unrecht vergeht? Nicht.

Veröffentlicht am 03.02.2017 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 3 MINUTEN
Standpunkt

Bonn ‐ Thomas Arnold über Andrej Holms Stasi-Vergangenheit

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Kürzlich noch von der Landesregierung zum Staatssekretär für Wohnen gekürt, wurde Andrej Holm in den vergangenen Wochen zur größten Belastungsprobe der noch jungen Berliner rot-rot-grünen Koalition. Der Grund: Von September 1989 an arbeitete er hauptberuflich für die Stasi. Im Januar 1990 war Schluss. Eine kurze Zeit, in der er sich einem System hingegeben hat, das Willkür, Überwachung und Ungerechtigkeit im Unrechtsstaat förderte. Mit 19 Jahren verpflichtete sich Holm, handschriftlich und ohne Druck – er wusste, was er tat.

2007 hatte er sein "Coming out" über seine Tätigkeit im Ministerium für Staatssicherheit, veröffentlichte seine frühere Tätigkeit. Zwei Jahre zu spät. Denn 2005 hatte er bei einer Einstellung an der Universität verschwiegen, wer sein früherer Arbeitgeber war. Fehlendes Unrechtsbewusstsein? Fehlender Mut? Oder einfach nur Angst, künftig wegen der Vergangenheit ein Außenseiter zu sein?

Es geht nicht darum, Partei für Andrej Holm zu ergreifen. Aber sein Fall löst die entscheidende Frage aus, wie unsere Gesellschaft heute mit der Schuld umgeht, die Menschen auf sich geladen haben. Dies heißt nicht, Verantwortung für Unrecht klein reden zu wollen. Erst recht nicht, das Geschehene der Vergessenheit preis zu geben, weil genügend Zeit verstrichen sei. Es wird nicht reichen, in der Öffentlichkeit lediglich die eigene Biografie richtig zu stellen. Stattdessen braucht es einen langen und harten Weg. Der Respekt vor den Opfern gehört ebenfalls dazu wie die Bereitschaft, sich mit der eigenen Schuld auseinanderzusetzen. Die Begegnung mit dem zugefügten Leid wird schmerzen, wenn er die Konsequenzen seines Handelns versteht.

Holm wirke wie jemand, der mit sich und seiner Geschichte ringt, sagte kürzlich die Autorin Ruth Hoffmann der Berliner Zeitung. Wird es gelingen, Menschen wie Andrej Holm am Ende ihres Weges wie der barmherzige Vater zu empfangen? Zumindest könnte es ein christlicher Beitrag für eine versöhnende Gesellschaft werden. Ohne die Opfer dabei zu verhöhnen.

Von Thomas Arnold

Der Autor

Thomas Arnold ist Leiter der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.