Wenn Dialog erst gelernt werden muss
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Der Papst wird Ende April nach Ägypten reisen und dort, unter anderem die Al-Azhar Universität besuchen. Sie ist die älteste sunnitische Universität in der islamischen Welt und eine Autorität, die man am Nil gerne mit der des Vatikan vergleicht. Diese Einrichtung und der Heilige Stuhl unterhielten für vier Jahrzehnte Dialog, in der jüngeren Vergangenheit geriet er ins Stocken, bis er schließlich ausgesetzt wurde. Nun soll frischer Wind in die Beziehung kommen.
Ich habe im akademischen Jahr 2003/2004 dort an der Universität studiert, um für meine Promotion "Der Heilige Stuhl im inter-religiösen Dialog mit islamischen Akteuren in Ägypten und der Türkei" zu recherchieren. Der Befund seinerzeit war trostlos: für den Begriff Dialog und seine Bedeutung, wie sie in Europa vorherrscht, gibt es im Arabischen keine Analogie. Mein Interesse an der fremden Kultur und Religion wurde von Tag eins an als mein Wunsch ausgelegt, zum Islam konvertieren zu wollen; ich wisse es eben nur noch nicht.
Für Dialog braucht man ein Instrumentarium, im Christentum haben umtriebige, akademisch und naturwissenschaftlich interessierte Akteure wie der Jesuiten-Orden über die Zeit diese Fähigkeit etabliert und in die Gesamtkirche eingebracht. Es braucht keine eigene Erwähnung, dass die christliche Religion die Toleranz und das Interesse an den anderen Kulturen erst erlernen musste. Der sunnitische Islam, den ich an der Al-Azhar kennen gelernt habe, war dazu noch nicht in der Lage: der Narrativ vom dekadenten Europa, dessen Probleme sich lösen, wenn es sich erst zum Islam bekehre, war omnipräsent. Ägypten hat eine Analphabeten-Quote von 40-50 Prozent. Weltbürgerliche Alphabetisierung aber kommt nur dann zustande, wenn man in der Lage ist, sich mit Verstand und Geist der Welt um einen herum zu widmen.
Die Herzlichkeit des Papstes wird viele Ägypter einnehmen, denn auch sie sind durch die Bank weg freundlich und alles andere als grundsätzlich radikal gestimmt. Gleichzeitig sind die Beziehungen zwischen dem Land und westlichen Akteuren nach der Übernahme des Militärs und der Einrichtung seiner Herrschaft nach dem missglückten arabischen Frühling in der Lage, auch dem größten Optimisten im Land das Lächeln aus dem Gesicht zu zaubern. Es ist grundsätzlich wichtig, dass der Papst die größte christliche Minderheit im Nahen Osten durch seine Anwesenheit stärkt. Gleichzeitig kann er die Muslime, die an einer Öffnung zur Welt hin und am Austausch interessiert sind, wieder die Tür öffnen, die der Fundamentalismus an der Al-Azhar vor einigen Jahren zugeschlagen hat.