Wie bitte, Herr Kardinal?
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Wie bitte, Herr Kardinal? Ich musste mir die Augen reiben, als ich las, was der Erzbischof von Krakau, Stanislaw Dziwisz, über die Demonstranten sagte, die sich am Wochenende gegen einige demokratiefeindliche Vorhaben der neuen nationalkonservativen Regierungspartei richteten. "Schwierige Dinge würden nicht durch Demonstrationen gelöst" und "Der Gang auf die Straße spalte das Land und senke das Niveau des politischen Lebens".
Hat Kardinal Dziwisz seinen früheren Chef, den heiligen Johannes Paul II., etwa schon vergessen? Weite Teile der katholischen Kirche und besonders der damalige Papst haben ab 1980 die Solidarnosc-Bewegung unterstützt, einem zivilgesellschaftliche Aufstand, der an der politischen Wende 1989 entscheidend mitgewirkt hat. Und der erste große "Gang auf die Straße" war allein Johannes Paul II. anzurechnen: Die Mega-Gottesdienste bei seinem Polenbesuch 1979 besuchte ein Viertel der Bevölkerung – darunter auch meine Eltern. Es waren die ersten freien Großveranstaltungen in Abgrenzung zur kommunistischen Regierung.
Und nun solche Worte von dem Mann, der 40 Jahre lang der Sekretär von Karol Wojtyla war? Ich möchte nicht verschweigen, dass Dziwisz auch die Regierung ein bisschen kritisierte, als er meinte, alle Spitzenpolitiker berücksichtigten "nicht immer die Empfindlichkeit und das Bedürfnis der gesamten Gesellschaft". Aber wo bleibt der Widerspruch von Dziwisz und den anderen polnischen Bischöfen zu den konkreten Plänen der Regierungspartei PiS? Zur Neubesetzung von Posten in Justiz, Verwaltung und Medien nach dem Parteibuch, aber auch zur restriktiven Flüchtlingspolitik, zu der Umweltverschmutzung?
Bei Politik, die sich auf individualethische Bereiche wie künstliche Befruchtung oder das Geschlecht bei der Partnerwahl bezieht, schweigt die Kirche doch auch nicht. Sogar bei Predigten zu Hochfesten ist das ein Thema. Dass sich die Kirche in Polen nur ihre Rosinen heraussucht und zur christlichen Verantwortung gegenüber Themen, die etwa Papst Franziskus derzeit stark betont ("macht Lärm", "nehmt Flüchtlingsfamilien auf", Enzyklika "Laudato si"), schweigt, ist doch einfach nur enttäuschend und bigott.