Beda Maria Sonnenberg zwischen Rennrad und strenger Klausur

Abt aus Plankstetten: "Es muss im Kloster auch Luxus geben"

Veröffentlicht am 22.06.2024 um 00:01 Uhr – Von Madeleine Spendier – Lesedauer: 

Bonn ‐ Beda Maria Sonnenberg ist Abt der Benediktinerabtei Plankstetten und besitzt ein Rennrad aus Alu. Das war sehr teuer und kam anfangs nicht bei jedem seiner Mitbrüder gut an. Doch für den Benediktinermönch ist das Radfahren nicht nur eine wichtige Investition in seine Gesundheit.

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Es ist ein Hobby, auf das er auch ein wenig stolz ist. Abt Beda Maria Sonnenberg ist fast täglich auf seinem Rennrad unterwegs. Außerdem praktiziert der Benediktinermönch aus Plankstetten neben dem Stundengebet regelmäßig Zen-Übungen. Wenn es ihm im Kloster dann einmal zu viel wird, radelt der Ordensmann wieder los. Im Gespräch mit katholisch.de erklärt Abt Beda Maria, wo er mit seinem Rennrad schon überall unterwegs war und warum er trotzdem ein Leben in strenger Klausur leben möchte. 

Frage: Herr Abt, ich wollte schon sagen "Herr Rennfahrerabt", aber das stimmt ja so nicht…

Abt Beda: Nein, das mache ich nicht. Aber mein Onkel ist Autorennen gefahren, hobbymäßig. Für mich wäre das nichts. Ich fahre lieber mit dem Rennrad und versuche da alles zu geben. Bei Abfahrten komme ich schon mal auf knappe 80 km/h.

Frage: Wie kam es, dass Sie als Mönch ein eigenes Rennrad besitzen?

Abt Beda: Als ich zum Priester geweiht wurde, wollten mir meine Eltern etwas schenken. Ich habe ihnen gesagt, dass ich kein Messgewand brauche, weil wir schon sehr viele im Kloster haben. Und einen eigenen Messkelch brauchte ich auch nicht, weil ich den von meinem Namensvorgänger übernommen habe. Ich wünschte mir ein Fahrrad. Wir waren dann in einem Fahrradladen unweit des Klosters. Auf Anraten des Verkäufers haben wir uns für ein Trekkingrad entschieden, obwohl mein Herz für ein Rennrad schlug. Ein paar Jahre später, im Jahr 2000, kam ich über einen Bekannten an ein gebrauchtes Rennrad aus Aluminium. Das war etwas Besonderes, weil es eines der ersten Aluräder war, die bei der Tour de France an den Start gingen. Das Rennrad kostete fast 2.000 Euro, was damals echt viel Geld war. Dankenswerterweise haben meine Eltern es mir bezahlt.

Frage: Und wie kam das teure Rad bei Ihrem damaligen Abt von Plankstetten an, dem heutigen Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke?

Abt Beda: Ja, der hatte etwas Bauchschmerzen. Er hat sich mit einem weiteren Fahrrad schwergetan. Er ist auch mehr der Bergsteiger. Mit der Zeit hat sich seine Einstellung aber dann gewandelt. Weil ich so begeistert war, habe ich das gar nicht so wahrgenommen. Das Rennrad musste einfach her. Es ist halt so, dass ich wirklich viel damit fahre, daher finde ich, hat sich diese Investition gelohnt. Es ist weniger kostspielig, als wenn ich aus gesundheitlichen Gründen eine Reha oder eine Kur machen muss. Mir ist mit der Zeit klar geworden, dass es sich mehr lohnt in den Sport zu investieren. Und das tue ich mit meinem Rad. Damit bewege ich mich viel, bin gesund und habe wenig Beschwerden.

Frage: Das heißt, Sie brauchen das Fahrrad, um auch seelisch gesund zu bleiben? Sie leben schließlich als Mönch in einem Kloster mit Klausur

Abt Beda: Ja, das Rennrad hat meiner physischen, aber auch psychischen Gesundheit gutgetan. Wenn ich etwas Distanz zur Gemeinschaft im Kloster und zum Alltag brauche, dann setze ich mich aufs Rennrad und fahre manchmal bis zur Verausgabung. Und dann ist das, was mir zuviel wurde, draußen. Das tut mir gut. Außerdem finde ich, dass der Sport die eigene Psyche und das Denken beeinflusst. Wenn ich mich nicht bewegen will, kann es mitunter passieren, dass ich mental "einroste". Das könnte man auch auf die Kirche übertragen. In der Kirche bewegt sich wenig, weil manche nicht mehr in Bewegung kommen und sich mit Veränderungen schwertun

„Außerdem finde ich, dass der Sport die Psyche und das eigene Denken beeinflusst. Wenn ich mich nicht bewegen will, kann es mitunter passieren, dass ich mental "einroste". Das könnte man auch auf die Kirche übertragen.“

—  Zitat: Abt Beda Maria Sonnenberg

Frage: Unser Papst sitzt im Rollstuhl….

Abt Beda: Ja, er tut mir sehr leid. Das Bild, das da von Kirche entsteht, ist mehr von seinem Alter und seinen Gebrechen, als von seiner Einstellung geprägt. Dafür kann der Papst nichts. Aber ich finde schon, dass die, die in der Kirche viel zu sagen haben, zu viel sitzen. Die Urkirche wird in der Apostelgeschichte als der "neue Weg" bezeichnet und ist von ihrem Wesen eine Bewegung, die sich wie das alttestamentliche Volk durch die Wüstenwanderung konstant verändert.

Frage: Andererseits, ist jemand der viel sitzt auch jemand, der da ist, zuhört und nicht wegläuft oder wegfährt…

Abt Beda: Ja, es braucht beides, wobei man die Bilder nicht pressen darf. Beides muss miteinander versöhnt sein, das Zuhören und das in Bewegung kommen. Ich finde, dass die "stabilitas loci", also das benediktinische Leben an einem Ort im Kloster, nur etwas Lebendiges ist, wenn im Kopf etwas in Bewegung kommt. Und mir hilft dabei das Rennradfahren und die Zen-Meditation.

Frage: Sie machen als Abt eines Klosters Zen-Übungen?

Abt Beda: Ja, jeden Morgen zwischen vier und fünf Uhr mache ich meine Zen-Meditation. Das gemeinschaftliche Chorgebet, die Vigil, findet dann um fünf Uhr statt. Für mich passt das wunderbar zusammen. Als ich mit der Zen-Meditation begann, tat mir alles weh. Mir half dann etwas Gymnastik. Die Körperhaltung spielt eine entscheidende Rolle. Aus der Körpermitte heraus muss alles geschehen. Das lässt sich auch auf das Rennrad übertrage, wo ich auf einem sehr schmalen Sattel sitze und versuche, schnell zu fahren. Auch hier ist die richtige Sitzhaltung entscheidend. Für mich passen Rennrad und Zen gut zusammen. Ich könnte persönlich kein Mönch und auch kein Rennradfahrer sein, wenn ich mich nicht ernsthaft in der Askese üben würde. Man muss aus der Gemütlichkeit aussteigen, aufstehen und üben: Nur so erlebt man etwas.

Frage: Es ist schon etwas Luxus, wenn man jeden Tag so lange meditieren kann …

Abt Beda: Ja, es muss im Kloster auch irgendeinen Luxus geben. Aber auch das Rennrad wie das Leben im Kloster zwingen mich zum Minimalismus. Bei meinen Fahrten kann ich nur das mitnehmen, was in meinen Rucksack passt. Ich bin 1987 mit 20 Jahren ins Kloster eingetreten. Anfangs hat mich das Gemeinschaftsleben beeindruckt. Mit der Zeit entwickelt man sich weiter und kennt die Gemeinschaft. Dann tauchen weitere Ziele auf: Heute geht es mir um die Offenheit für eine Gotteserfahrung, die mir die Angst vor dem Leben und vor dem Sterben nimmt, die mich befreit und meine Grenzen überschreiten lässt.

Frage: Und wie gehen Ihre Mitbrüder damit um, dass Sie als Abt Zen-Übungen machen und Rennrad fahren?

Abt Beda: Jeder hat seine Art zu beten, das ist ganz wichtig in einer Gemeinschaft. Dies betrifft auch die spirituellen Übungen. Ich darf als Abt nicht hergehen und sagen, dass darfst du machen und das nicht. Ich bin aufgefordert, auf das Wirken des Heiligen Geistes zu achten. Es gibt die Gefahr des spirituellen Missbrauchs. Es geht also um den Respekt vor dem, was jeden von uns erfüllt. Der Heilige Geist wirkt auch dort, wo wir das oft nicht vermuten. Ich versuche als Abt den Mitbrüdern zuzuhören und zu erkennen, was sie bewegt und wo sie Kraft schöpfen. Mir hilft Zen dabei, denn dadurch komme ich in eine tiefe Ruhe und Gelassenheit, die sich auf die Mitbrüder auswirkt. Auch das Radfahren ist für mich eine spirituelle Übung, ähnlich wie Zen. Ich schreibe gerade ein Buch zu den Themen "Sitzen" und "Atmen", die mir sowohl beim Meditieren wie auch beim Radfahren begegnen. Dabei geht es um Konzentration, Mitte, Struktur und harmonische Bewegungen. Mit der Praxis der Zen-Meditation wird mir klar, dass es um alles oder nichts geht. Ich gewinne, wenn ich loslasse und leer werde. Aus dem "mentalen Gefängnis" von Gedanken und Vorstellungen auszubrechen, ist die Voraussetzung dafür, um im Sport und vielleicht auch im Leben zu interessanten Ergebnissen und zur Erfüllung zu kommen.

Bild: ©Erlebe.bayern/Gert Krautbauer

Mit seinem Rennrad unterwegs: Hier nimmt der Benediktinerabt Beda Maria Sonnenberg beim Arber Radmarathon in Regensburg teil. Mit Startnummer "2912".

Frage: Teilen Sie das Rennrad mit Ihren Mitbrüdern?

Abt Beda: Es gab diese Diskussionen im Kloster, die allerdings ein schnelles Ende fanden, weil das Rennradfahren doch sehr speziell ist. Wenn man nicht reaktionsschnell und wenig technikversiert ist, wird Rennradfahren sehr anstrengend und kann schnell gefährlich werden. Aufgrund dessen, dass sich die Mitbrüder mit dieser Sportart nicht so sonderlich anfreunden können, besteht kein sehr großes Interesse am Rennrad.

Frage: Hatten Sie bereits Unfälle mit dem Rennrad?

Abt Beda: Ja. Einmal habe ich mir das Schlüsselbein gebrochen. Für mich war das eine wichtige Erfahrung. Auch zu sehen, wie Menschen darauf reagieren. Rennradfahren ist gefährlich, aber man muss es trainieren. Das hat viel mit Achtsamkeit zu tun. Ich bin in der Anfangszeit oft gefallen, weil ich das mit dem Klickpedal noch nicht so herausgehabt hatte. Die Schuhe müssen nämlich ins Pedal einrasten und in gefährlichen Momenten muss ich da schnell herauskommen, sonst falle ich mitsamt dem Fahrrad um. Wenn man ein paar Mal gestürzt ist, kriegt man mit der Zeit den Dreh heraus.

Frage: Wie oft fahren Sie in der Woche mit dem Rad?

Abt Beda: Meist abends je nach Jahreszeit mindestens eine Stunde nach dem Nachtgebet, der Komplet; am Sonntagnachmittag fahre ich meist eine längere Runde. In der Woche kommen da schon 150 Kilometer, im Sommer bis zu 200 Kilometer auf dem Rad zusammen. Ich versuche, konsequent zu trainieren, auch wenn es regnet, damit ich in Bewegung bleibe. Ich habe mit dem Rennrad auch schon mehrfach die Alpen überquert, wie z. B. den Großglockner, den Oberalpass, den Furkapass, den Lukmanierpass, den Reschenpass und den Brennerpass. Ich versuche die Abende für den Sport zu nutzen. Ein wichtiges Ziel in meinem Leben ist, jeden Tag konzentriert zu leben.

Frage: Nehmen Sie an Rennradrennen teil?

Abt Beda: Ja, in diesem Jahr habe ich schon einen ersten Radmarathon gefahren, im letzten Jahr war ich bei zwei dabei. Aber jedes Mal ohne etwas zu gewinnen. Das ist nicht wichtig, es geht mir um das Erlebnis. Rennradfahren macht aufgrund der Geschwindigkeit und des gleichmäßigen Rhythmus wahnsinnig Spaß.

Frage: Nutzen Sie einen speziellen Segen, bevor Sie losfahren?

Abt Beda: Nein, wenn es brenzlig wurde, dann musste ich schon mal ein Kreuzzeichen machen, wenn es gut ausging. Und dann sage ich mir: "Zum Glück ist heute der Schutzengel mitgefahren".

Von Madeleine Spendier