Dogmatiker schließt sich Rufen nach Vergebung an

Tück über Ameti: Bezichtigungsfuror hat gefährliche Eskalationsstufe

Veröffentlicht am 16.09.2024 um 10:49 Uhr – Lesedauer: 

Wien ‐ Die Social-Media-Schießübungen der Schweizer Politikerin Sanija Ameti haben hohe Wellen geschlagen und für drastische Kritik gesorgt. Jan-Heiner Tück ruft nun dazu auf, ihr die Chance auf Besserung einzuräumen – und beruft sich auf das Evangelium.

  • Teilen:

Der Wiener Dogmatiker Jan-Heiner Tück hat sich den Aufrufen zu Mäßigung und Vergebung in der Debatte um die Schüsse der Schweizer Politikerin Sanija Ameti (Foto) auf eine Darstellung von Maria mit dem Jesuskind angeschlossen. "Bei aller Kritik an der religionsfeindlichen Provokation darf die Provokateurin den Hasstiraden nicht schutzlos ausgeliefert werden", schreibt Tück in einem Beitrag für "Communio" (Sonntag). "Der Bezichtigungsfuror hat eine gefährliche Eskalationsstufe erreicht", warnt der Theologie-Professor. Das Bedauern Ametis über ihre fahrlässige Aktion und ihre Entschuldigung sei in den sozialen Medien nicht angenommen worden. "Mit gnadenloser Härte entlädt sich die Wut, darunter unverhohlen sexistische, islam- und ausländerfeindliche Kommentare. Selbst Morddrohungen sieht sie sich ausgesetzt", schreibt Tück.

Ameti habe ihre Tat bereut. "Hätte sie vorher gewusst, welche Irritationen ihre Schüsse auf den Kopf Mariens und des Jesuskindes ausgelöst hätten, wäre ihr nicht eingefallen, das Heilige als Zielscheibe zu wählen und das provokante Posting auf Instagram abzusetzen", betont Tück. In der kritischen Selbstreflektion liege die Chance auf Besserung. "Es wäre falsch, ihr diese Chance nicht einzuräumen. Es ist nie zu spät." In Hinblick auf den Ausspruch Jesu "Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein" aus dem Johannesevangelium, erklärte der Dogmatiker: "Die Person der Provokateurin ist anderes und mehr als die Provokation, die sie begangen hat, mag diese auch verstörend, verletzend und dumm gewesen sein."

"Es tut mir unglaublich leid"

Die Schweizer Politikerin Sanija Ameti (Grünliberale Partei) hatte am vorvergangenen Wochenende für Aufsehen gesorgt, nachdem sie Bilder einer Schießübung auf ihrem Instagram-Kanal geteilt hatte. Eines der veröffentlichen Fotos zeigt die 32-Jährige mit einer Sportpistole und der Beschreibung "Abschalten", ein weiteres zeigt ein Bild der Muttergottes mit dem Jesuskind, das von mehreren Projektilen durchlöchert wurde. Das als Zielscheibe verwendete Bild stammt nach Aussage Ametis aus dem Katalog eines Zürcher Auktionshauses. Nach Kritik an ihrem Posting löschte Ameti die Fotos und entschuldigte sich auf den Social-Media-Plattformen. "Ich bitte um Vergebung bei den Menschen, die durch meinen Post verletzt wurden", schrieb sie bei X. Sie habe den Post sofort gelöscht, als ihr der religiöse Inhalt bewusst geworden sei. "Ich habe nichts dabei überlegt. Es tut mir unglaublich leid", so Ameti.

Kritik kam unter anderem von der Schweizer Bischofskonferenz (SBK), die das "inakzeptable Verhalten" in einer Erklärung verurteilten. "Wie viele Katholikinnen und Katholiken fühlen sich auch die Schweizer Bischöfe in ihrem religiösen Empfinden verletzt." Selbst wenn man von der religiösen Darstellung der Muttergottes absehe, die das Bild sehr deutlich zeige, zeuge die Verwendung des Bildes von "Gewalt und Respektlosigkeit gegenüber der menschlichen Person". Tück selbst hatte in einem ersten Kommentar geschrieben, es sei falsch, reflexhaft auf antichristliche Provokationen zu reagieren und so die Polarisierung der Gesellschaft zu steigern. "Genauso falsch ist es, einen Habitus des Wegsehens zu kultivieren und jede Verunglimpfung hinzunehmen"

Der Schweizerische Katholische Frauenbund (SKF) kritisierte in der vergangenen Woche den Hass, der Ameti entgegenschlage. Man könne nachvollziehen, dass religiöse Gefühle verletzt worden seien, betonte der Verband. "Aber Menschen machen Fehler. Als Christinnen und Christen sind wir dazu aufgerufen, zu vergeben, anstatt Hass zu schüren." Auch der Churer Bischof Joseph Bonnemain, der ein Entschuldigungsschreiben von Ameti erhielt, rief am Donnerstag dazu auf, der Politikerin zu vergeben. "Ich vergebe Sanija Ameti und ich bitte alle gläubigen Katholiken, Christen, Muslime, jeder, der sich in seinen religiösen, menschlichen Gefühlen verletzt fühlt, mir zu folgen. Hass und Verfolgung können nicht die Antwort sein." (cbr)