Qualität vor Quantität
"Wir bekommen nur mit aller letzter Kraft das Personal zusammen", sagt Hilda Thoma, Leiterin der Freiburger Kindertagesstätte St. Peter und Paul. Seit Ende April hat ihre Einrichtung eine fünfte Gruppe, in der zehn unter 3-jährige Kinder betreut werden sollten. Doch bis zur Eröffnung waren nur zwei Erzieherinnen gefunden, eine davon in Teilzeit. "Kürzlich hatten wir bei einer Stellenanzeige nur fünf Bewerbungen", sagt Thoma. Zwar gibt es mittlerweile ein neues praxisbegleitendes Ausbildungskonzept für junge Fachkräfte und Weiterbildungen für Hebammen oder Krankenpfleger, die in den Erzieherberuf wechseln, doch hilft das den Einrichtungen heute noch nicht:
"Der Rechtsanspruch steht seit Jahren fest, mehr ausgebildet wird aber erst seit einem Jahr", so Thoma. Die neuen Fachkräfte stehen also frühestens im Jahr 2015 als Erzieherinnen im Kindergarten zur Verfügung. Fachfremdes Personal müsse viel aufwendiger eingearbeitet werden, auch wenn deren Qualifikationen bis zu einem gewissen Punkt sehr sinnvoll seien, stellt Thoma fest.
Quereinsteiger mit einzubeziehen hält auch Frank Jansen für eine vertretbare Übergangslösung: "Es ist familien- und vor allem bildungspolitisch gut, dass der Rechtsanspruch jetzt kommt und nicht verschoben wird, deswegen brauchen wir dann jetzt Übergangslösungen", so der Geschäftsführer des Bundesverbandes katholischer Tageseinrichtungen für Kinder. Entscheidend sei aber, dass die Qualität aufrechterhalten bliebe: "Wenn der Ausbau der Betreuung zu Lasten der Kinder ginge, könnten wir das nicht mehr mittragen", sagt Jansen. Dem Erziehermangel müsse jetzt durch kleinere Gruppen und höhere Bezahlung entgegengewirkt werden: "Es würde helfen, wenn Erzieher ähnlich wie Grundschullehrer bezahlt würden", fordert Jansen.
Personal muss heute flexibler sein
Fast wichtiger als die Bezahlung sind für Hilda Thoma die Arbeitsbedingungen im Kindergarten: "Die guten Leute verlassen den Beruf und machen noch ein Studium", sagt die Erzieherin und Sozialpädagogin. Denn schon ohne die jetzt so stark ausgebaute U3-Betreuung hat sich in den vergangenen Jahren die Arbeit der Kindergärten verändert: die verschiedenen Arten der Ganztagsbetreuung verlangen mehr Personal und eine hohe Flexibilität. Während vor Jahren für die vier Gruppen des St. Peter und Paul-Kindergarten in Freiburg noch je zwei Fachkräfte ausreichten und es keine Übermittagsbetreuung gab, hat Hilda Thoma heute 18 Mitarbeiter in Voll- und Teilzeit zu beschäftigen. "Wir arbeiten im Schichtdienst, aber ohne gemeinsame Pausen ist die Zeit für Übergaben und Absprachen ziemlich eng", so Thoma.
Dabei ist die Aufteilung der Erzieher auf die Kinder schon knapp bemessen: Für die zehn Kleinkinder darf Thoma laut Stellenschlüssel 2,2 Fachkräfte beschäftigen. Rechnerisch muss eine Erzieherin somit vier bis fünf Kinder betreuen. Aus Sicht der Berliner Professorin für Frühpädagogik, Susanne Viernickel, sollte eine Erzieherin nicht mehr als drei Kindern betreuen müssen, zumal sie wegen anfallender notwendiger Arbeiten nicht die ganze Zeit bei den Kindern sein könnten:
Abnahme der pädagogischen Qualität
"Ab diesem Wert kann man eine Abnahme der pädagogischen Qualität feststellen, die wiederum einen Einfluss auf die kindliche Entwicklung hat", sagte die Pädagogin in der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Ein wissenschaftlicher Nachweis, dass sich die Kinder deshalb auch massiv schlechter entwickeln, sei aber bisher noch nicht erbracht, so Viernickel.
Während schon für die Betreuung der derzeit angemeldeten Kinder die Fachkräfte fehlen, ist die politisch gewünschte Zahl der Betreuungsplätze dennoch nicht erreicht. Etwa 150.000 Plätze für ein- und zweijährige Kinder fehlen bundesweit, schätzt Frank Jansen. Die katholischen Einrichtungen stellen mit derzeit etwa 75.000 Plätzen knapp ein Sechstel des gesamten Angebotes in der U3-Betreuung. "Im Vergleich zu 2008 ist das eine Steigerung um 130 Prozent", so Jansen. Trotz der fehlenden Plätze glaubt Jansen nicht an eine Klagewelle aufgrund des Rechtsanspruch, der ab August gegen die Städte und Gemeinden geltend gemacht werden kann. Doch, ob Klage oder nicht - die Qualität der Betreuung darf nicht unter der Anzahl der Betreuungsplätze leiden. Darin sind sich die Vertreter der katholischen Kindergärten einig.
Von Benedikt Plesker (mit Material von dpa)