Kirche in schwarz-gelb
Borussia Dortmund und Kirche – das passt zusammen, findet Karsten Haug. Gemeinsam mit der evangelischen Pfarrerin Carola Theilig hat der Gemeindereferent im Pastoralverbund Dortmund Nordstadt-Ost zum Gottesdienst geladen. Mehrere Hundert Menschen sind gekommen.
Zunächst haben Borussia Dortmund und die Kirche einmal eine historische Verbindung. Es waren junge Männer aus ebendieser Dreifaltigkeitsgemeinde, die den Verein – allerdings gegen den Willen des damaligen Kaplans – gründeten. Das ist natürlich Geschichte. Längst haben sich Verein und Gemeinde "ausgesöhnt". Nicht zufällig sind die Fanbeauftragten Petra Stüker und Siggi Held, zugleich auch BVB-Idol, unter den Gottesdienstbesuchern. "Der Besuch hier ist uns wichtig", sagt Stüker.
Aber auch Religion im Allgemeinen habe eine Beziehung zum Fußball, sagt Haug, der selbst seit Jahren eine Dauerkarte für die Borussia besitzt: "Nehmen Sie nur das Zusammengehörigkeitsgefühl, die gemeinsamen Gesänge oder die Emotionen." Jeder Fan könne Geschichten von Freude, Angst, Jubel und Hoffnung erzählen – ganz so, wie es auch die Bibel tue. BVB-Gottesdienste gibt es seit 2008. Wie Haug erläutert, sei der Verein damals auf die Gemeinde zugekommen, weil man zu Beginn und Abschluss des Vereinsjubiläumsjahres zum 100. Geburtstag Gottesdienste in der Dreifaltigkeitskirche feiern wollte.
Keine gewöhnlichen Gottesdienste
Diese sind beileibe keine gewöhnlichen Gottesdienste: die Gläubigen in schwarz-gelben Trikots, eine BVB-Fahne am Altar und im aktuellen Fall eine Predigt, die den Fußball-Fan zum "Fan Gottes" in Beziehung setzt. "Man muss schon aufpassen, dass es nicht zu lustig wird", räumt Haug ein – es sei ja immer noch ein Gottesdienst. Auf die Idee, Fußball als eine Art Religion anzusehen, käme er überdies nie. "Borussia kann mir nicht die Fragen des Lebens beantworten."
In dieser Weise hat Haug auch den Bogen in seiner Predigt gespannt. Bei aller Freude über den BVB, versuche er, seinem Leben durch Gott eine Richtung zu geben, gibt er den Anwesenden zu bedenken. Dort, wo Menschen zusammen seien, das Leben miteinander teilten und sich gemeinsam engagierten, sei Gott unter ihnen.
Was die Besucher aus den Gottesdiensten mitnähmen, ob es für sie nur BVB-Folklore oder ernsthaftes religiöses Anliegen sei, könne er natürlich nicht sagen, so Haug. Auf Andrzej Badziag trifft definitiv Letzteres zu. "Ich komme jeden Sonntag in die Kirche", sagt der Mann im BVB-T-Shirt und mit Kreuz um den Hals. Gottesdienste gäben ihm Kraft. Er habe gerade große Probleme mit seiner Frau, aber nach einem Gang zur Kirche wie heute könne er alles Geschehene verzeihen.
Voneinander lernen
Auch im Stadion bekreuzige er sich vor jedem Spiel, führt Badziag weiter aus. "Es geht mir aber nicht darum, dass Dortmund unbedingt gewinnen soll. Ich hoffe auf ein gutes Match und, dass die Spieler sich nicht verletzen."
Für Gemeindereferent Haug könne Kirche vom Fußball die Fähigkeit, Emotionalität und Leidenschaft hervorzurufen, lernen. Auf der anderen Seite könnte sich der eine oder andere "Fan" eine Scheibe vom christlichen Wertekanon in Sachen Toleranz und Menschenwürde abschneiden. "So manches, was gewisse Leute im Stadion von sich geben, geht nun wirklich nicht", sagt er.
Obgleich ein großer Fußballfan, wird Papst Franziskus wohl kaum einmal zu einem BVB-Gottesdienst nach Dortmund kommen. Aber vielleicht ein anderer prominenter Kirchenmann und bekennender Borussen-Anhänger. "Wenn Kardinal Marx einmal bei uns predigen würde, das wäre schon ein Traum", so Haug.
Von Christoph Meurer