Rheinkirmes: Pfarrer Sacha Ellinghaus über die Seelsorge für Schausteller und Zirkusleute

Dem Himmel entgegen

Veröffentlicht am 16.07.2013 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Seelsorge

Düsseldorf ‐ Lass mich bedenken mein Vorrecht, Freude und Vergnügen zu bringen allen Menschen…" beten die Männer und Frauen gemeinsam mit Pfarrer Sascha Ellinghaus. Es ist ein ungewöhnliches Gebet, das die Familie Schneider an diesem Tag spricht. Ebenso ungewöhnlich wie der Ort, an dem es gebetet wird. Um die Familie und Freunde scharen sich Besucher, die Fotos schießen. So etwas haben die meisten von ihnen noch nicht gesehen: ein Priester mitten auf der Düsseldorfer Rheinkirmes.

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Für Sascha Ellinghaus hingegen ist es nichts neues, Gebete auf einer Kirmes zu sprechen. Denn seit elf Jahren ist er Seelsorger für Schausteller und Zirkusleute. "Die Menschen sind ja das ganze Jahr unterwegs", erklärt er. Und weil sie nicht in die Pfarreien vor Ort kommen könnten, komme der Pfarrer eben zu ihnen. Gemeinsam mit acht weiteren Priestern ist Ellinghaus in ganz Deutschland unterwegs, um "seine Gemeinde" zu besuchen.

Wie groß die ist, lässt sich auch für den Pfarrer nur schwer feststellen. "Einer Erhebung zur Folge gibt es in Deutschland über 40.000 Schausteller und rund 3.500 Zirkusleute", so der Seelsorger. Der Anteil der Katholiken unter ihnen liege bei knapp 70 Prozent. Eine Erklärung, warum es überdurchschnittlich viele sind, liefert Ellinghaus gleich mit: "Das Wort 'Kirmes' ist eine Abkürzung für 'Kirchweih-Messe' und steht in katholischer Tradition." Ursprünglich sei es sozusagen das weltliche Fest zur Weihe einer Kirche gewesen.

"Wenn wir in der 'normalen' Pfarrei Gottesdienst feiern, am Tag des Herrn, muss auf der Kirmes gearbeitet werden", sagt der Pfarrer über die Besonderheiten in der Schaustellerseelsorge. Also bleibe für die heilige Messe nur unter der Woche Zeit. Die wird dann gerne mal auf der Plattform des Autoscooters gefeiert. "Dafür bringen wir sogar extra einen eigenen Altar mit", so Ellinghaus. Die Angebote, die die Seelsorger machen, seien inhaltlich aber die gleichen wie in den Ortspfarreien. Denn: "Die menschlichen Höhen und Tiefen kommen überall in gleicher Weise vor." Freude über neues Leben, Trauer über den Tod. Daher bietet der Pfarrer Gottesdienste, Taufen, Hochzeiten oder – so wie an diesem Tag – einen Segnungsgottesdienst an.

"Damit alles rundläuft im Gewerbe"

Der Anlass der Segnung: Familie Schneider hat sich ein neues Fahrgeschäft, den "City Sky Liner", angeschafft. "Das ist mittlerweile unsere vierte Anlage", sagt der Sohn der Familie, Franz-Thomas Schneider. Der Segen sei eine Tradition und notwendig, "damit alles rundläuft im Gewerbe", ist sich der 27-Jährige sicher. "Die Anlage ist kein Familienmitglied, aber doch irgendwie ein Teil von uns."

Sascha Ellinghaus predigt, betet gemeinsam mit der Familie das Vaterunser. Er bespritzt den "City Sky Liner", der seine Besucher 70 Meter in die Höhe befördert, mit Weihwasser und macht ein Kreuzzeichen. "Damit bitten wir um Gottes Segen für das Geschäft", sagt er. Vor den Sommerferien tue er das Gleiche bei den Autos der Gläubigen in seinen "normalen" Gemeinden in Dortmund. Für Familie Schneider sei das neue Geschäft natürlich ein großes finanzielles Risiko. "Es ist ein bisschen wie bei den Bauern, die für eine gute Ernte beten", sagt der Seelsorger. Dafür seien sie – wie die Schausteller auch - auf gutes Wetter angewiesen.

„Der Segen bringt Gottes schützende Hand über uns“

—  Zitat: Schaustellerin Martina Schneider

Wichtig ist für den Pfarrer jedoch die Tatsache, dass der Segen nicht dem Material gilt: "Es geht um den Schutz für die Menschen, die hier arbeiten - und um den der Besucher." Das betont auch Martina Schneider, die den Betrieb mit ihrem Mann zusammen leitet. Der Segen bedeute für sie "Gottes schützende Hand über uns", die Probleme zwar nicht verhindern, aber zumindest dämpfen könne.

"Der Glaube", so betont Schneider, "ist wichtig, um einen Halt im Leben zu haben." Denn das Gute am Glauben sei, dass man dafür überall sein kann. "Gott ist immer um dich herum", sagt die 49-Jährige voller Überzeugung. Ob sie den Gottesdienst in einer Kirche oder auf der Kirmes feiere, sei für sie nicht entscheidend. "Es hängt für mich immer vom Priester und der Predigt ab, ob ein Gottesdienst gut oder schlecht ist."

Sascha Ellinghaus kennt seine Schäfchen

An diesem Tag ist sie zufrieden. Die Segnung verlief ohne Zwischenfälle. Die Besitzer der anderen Fahr- und Gastronomiegeschäfte überreichen Blumen, kleine Geschenke und Umschläge. "Auch das ist Tradition", sagt Sascha Ellinghaus, der viele der Schausteller kennt. "Die Achterbahn dort mit den Loopings gehört Familie Barth aus Euskirchen", erklärt er. "Und da drüben ist das Fahrgeschäft der Familie Schäfer aus Schwerte", zeigt der Seelsorger mit ausgestrecktem Zeigefinger. Er kennt sie eben, seien Schäfchen. Bevor er an diesem Tag weiterfährt, lässt es sich der Pfarrer aber nicht nehmen, das Geschäft auch anderweitig "einzuweihen". Er gehört zu den ersten, die sich vom "City Sky Liner" 70 Meter in die Höhe befördern lassen. Dem Himmel ein Stück entgegen.

Von Björn Odendahl

Hinweis

Weitere Informationen zur Seelsorge für Schausteller und Zirkusleute .