Im Windschatten der Heiligtumswallfahrt
Frage: Abt Friedhelm, in welcher Form wird sich Ihre Abtei an den Jubiläumsfeierlichkeiten in diesem Jahr beteiligen?
Tissen: Die Abtei gestaltet mit der Pfarrei St. Kornelius sowie den Bürgern von Kornelimünster gemeinsam dieses Jubiläumsjahr. In unserer Abteikirche finden unter anderem Konzerte und Vorträge statt, etwa über den Gründer der Reichsabtei Benedikt von Aniane, sowie von Mitte Juni bis Mitte Juli eine Foto-Ausstellung zum Thema "Lebenslänglich" – Alltag im Kloster".
Frage: Rechnen Sie mit einem Ansturm von Besuchern bei der diesjährigen Heiligtumsfahrt? Gibt es Ihrerseits dazu bestimmte Angebote?
Tissen: Die meisten Pilger werden nach Aachen ziehen. Doch wir rechnen damit, dass etliche von Ihnen auch bei uns Station machen. Wir sind jedenfalls gespannt und voller Erwartung.
Frage: Wie viele Mönche leben in Ihrer Abtei?
Tissen: Wir leben hier zurzeit mit neun Mönchen im Alter zwischen 33 und 87 Jahren.
Frage: Welchen Aufgaben widmet sich Ihr Konvent?
Tissen: Unsere Hauptaufgabe ist neben der Feier des Stundengebetes die Aufnahme von Gästen. Dafür stehen 20 Gästezimmer zur Verfügung. In den letzten Jahren hatten wir insgesamt etwa 1.000 Gäste mit 3.000 Übernachtungen: für unsere kleine Gemeinschaft eine erfreulich stolze Zahl. Neben der Aufnahme von Gästen stehen wir für Seelsorge-Gespräche bereit, bieten täglich Gelegenheit zur Beichte und halten Exerzitienvorträge außerhalb des Hauses. 20 Wochenendangebote finden darüber hinaus im Rahmen unseres Kursprogrammes statt. Außerdem hält ein Mitbruder einmal wöchentlich Vorlesungen in St. Augustin, ein anderer ist als Hausgeistlicher bei den Alexianern in Aachen tätig. Hinzu kommen die unterschiedlichen Aufgaben innerhalb der Abtei - von Waschküche über Sakristei bis zu Verwaltung und Bibliothek. Die Betreuung unseres ältesten Mitbruders erfordert darüber hinaus viel Kraft, Zeit und Fantasie.
Frage: Wonach suchen Menschen, die zu Ihnen kommen? Nach Gott? Nach mehr Erfüllung in ihrem Leben?
Tissen: Die Menschen suchen Gott, Abstand vom Alltag, Ruhe und Stille, Antworten auf Fragen des Lebens und des Glaubens. Einige möchten an den Gebetszeiten teilnehmen, andere nicht. Der Wunsch, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen, ist weit verbreitet. Es gibt eine große Bandbreite von Motiven, warum Menschen als Gast ins Kloster kommen.
Frage: Sind Gäste nicht hin und wieder auch eine Belastung für Ihren Konvent? Wie finden Sie und Ihre Mitbrüder selber Ruhe?
Tissen: Gäste aufzunehmen ist eine Freude und eine Last zugleich. Das weiß jeder Gastgeber. Wir schützen unseren persönlichen Raum, und wir gönnen uns etwa alle zwei Monate einige Tage ohne Gäste.
Frage: Benediktinisch leben: Funktioniert das nur im Kloster? Oder können Menschen etwas davon in ihren Alltag mitnehmen?
Tissen: "Benediktinisch leben" geht auch außerhalb des Klosters. Viele nehmen aus der Erfahrung eines Aufenthaltes bei uns Anregungen für ihr Leben mit: Struktur des Alltags, feste Zeiten für Besinnung, Erholung, Gebet. Einige binden sich durch ein Versprechen an ein Kloster - durch die Oblation. Sie möchten im Alltag nach bestem Wissen und Gewissen benediktinisch leben.
Frage: Gibt es auch heute noch junge Männer, die den Weg zu Ihnen finden, weil sie erwägen, in ein Kloster einzutreten?
Tissen: Es gibt immer wieder Männer, die nach einem Eintritt fragen. Sie sind nicht unbedingt jung. Die meisten stehen in der Lebensmitte. Da gilt es, genau nach der Motivation zu schauen. Bisweilen sind die Interessenten verheiratet, geschieden, nicht katholisch. Hier sind dann viele klärende Gespräche nötig.
Das Interview führte Margret Nußbaum