Theologe Stubenrauch will einen Papsttitel streichen

Kein Stellvertreter mehr?

Veröffentlicht am 25.04.2013 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Papst

München ‐ Der Münchner Dogmatiker Bertram Stubenrauch hat jüngst auf einer Tagung der Katholischen Akademie in Bayern angeregt, den zum Papstamt gehörenden Titel "Stellvertreter Christi auf Erden" abzuschaffen. Dieser sei irreführend und zum Verständnis des Amtes nicht nötig. Im Interview spricht der 52-jährige Theologe über seinen Vorschlag.

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Frage: Herr Professor Stubenrauch, was stört Sie am "Stellvertreter Jesu Christi auf Erden"?

Stubenrauch: Ich halte die Bezeichnung für missverständlich. Viele verwechseln sie mit dem Begriff "Stellvertreter Gottes". Doch der Papst ist nicht eine Art sichtbarer Gott. Vielmehr ist er Getaufter, Christ, Priester und Bischof - Bischof von Rom. Zudem suggeriert die Bezeichnung, dass Jesus Christus abwesend und an seiner Stelle der Papst gegenwärtig sei. Der Titel müsste interpretiert werden, was aber zu wenig geschieht. Stattdessen ist er zum Schlagwort verkümmert.

Frage: Seit wann gibt es diesen Titel?

Stubenrauch: Er stammt aus der Antike und bezog sich auf die Bischöfe und Priester, speziell auf ihren sakramentalen Dienst: Wenn der Priester am Altar agiert, vergegenwärtigt er Jesus Christus. Das heißt aber: Nicht der Priester bewirkt etwas - beispielsweise im Moment der eucharistischen Wandlung - sondern Christus selbst tut es. Man könnte etwas salopp vom Priester oder Bischof als einem "Handlanger Jesu Christi" sprechen.

Frage: Wird das Papstamt mit dem Titel überhöht?

Stubenrauch: Ja. Vor allem stellt sich damit die Frage, ob alles, was der Papst tut oder lehrt, unmittelbare Lehre und unmittelbares Tun Jesu Christi ist.

„Mit dem Begriff "Stellvertreter Christi" drängt sich der Eindruck auf, dass Unfehlbarkeit für jede beliebige Äußerung des Papstes gilt.“

—  Zitat: Bertram Stubenrauch

Frage: Spielt da die Unfehlbarkeit mit hinein?

Stubenrauch: Unfehlbar ist der Papst, wenn er eine Glaubenslehre ausspricht, die die Kirche in ihrem Wesen betrifft. Dies tut er dann in einem eigenen Akt auch öffentlich und mit aller Klarheit in seiner Funktion als Petrus-Nachfolger, als Haupt der Weltkirche. Mit dem Begriff "Stellvertreter Christi" drängt sich aber der Eindruck auf, dass Unfehlbarkeit für jede beliebige Äußerung des Papstes gilt. Im Gefolge des Zweiten Vatikanischen Konzils wäre es eine sinnvolle Konsequenz, den Titel fallen zu lassen - was die meisten meiner Kollegen und Kolleginnen ähnlich sehen.

Frage: Gibt es auch Gegenargumente?

Stubenrauch: Der Titel ist sehr klangvoll. Und es lassen sich mit ihm ziemlich kompakt Autoritäts- und Machtvorstellungen transportieren. Denn wer dürfte sich kritisch gegenüber dem Stellvertreter Jesu oder gar gegenüber Jesus Christus selbst äußern? Es gibt auch einen biblischen Bezug, nämlich im Johannes-Evangelium, Kapitel 21. Dort ist dem Petrus ein Hirtenauftrag im Namen Jesu zugesprochen.

Frage: Und theologisch korrekt ist?

Stubenrauch: Der Papst ist Bischof von Rom und damit als Nachfolger Petri eingebunden in das Kollegium der übrigen Apostelnachfolger. Nennt er sich Stellvertreter Christi, steht er abgehoben über allen. Da ist kaum noch Raum für Kollegalität.

„Die Kirche hat stets auf Erfordernisse und Denkvorstellungen der Zeit reagiert. Reform ist nicht Verrat.“

—  Zitat: Bertram Stubenrauch

Frage: Fühlen Sie sich zu Ihrem Vorschlag durch den neuen Papst animiert, der eher unkompliziert mit seinem Amt umgeht?

Stubenrauch: Ich fände es schlimm, wenn die Theologie nur sagen dürfte, was von ihr momentan erwartet wird. Theologie hat die Aufgabe zu durchdenken, was möglich oder notwendig ist, ohne dass der Kern des Glaubensgutes verloren geht.

Frage: "Es geht in der Kirche mehr als man denkt. Man muss sich nur trauen" - lautet Ihre Überzeugung.

Stubenrauch: Wir haben im Grunde immer einen kreativen Umgang mit der Tradition gehabt. Die Kirche hat stets auf Erfordernisse und Denkvorstellungen der Zeit reagiert. Sie ist ja vom Heiligen Geist durchwirkt und darf und soll dies auch tun. Reform ist nicht Verrat. Tradition kann nichts Sklavisches sein. Das wäre ein geistiges Gefängnis.

Frage: War der Rücktritt von Benedikt XVI. in diesem Sinne auch kreativ?

Stubenrauch: Benedikt XVI. ist durchaus kreativ mit der Tradition umgegangen. Ich hoffe, dass Papst Franziskus dies fortsetzen wird.

Das Interview führte Barbara Just (KNA)

Zur Person

Bertram Stubenrauch (52) ist seit 2006 Professor für Dogmatik und Ökumenische Theologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München.