"Kriterien nicht aufweichen"
"Der Erstkontakt mit einigen Kandidaten ist oft schon der Letztkontakt", sagt Regens Thomas Benner, Leiter des Priesterseminars im Erzbistum Hamburg. Nicht jeder, der eine vermeintliche Erleuchtung gehabt habe, werde aufgenommen. Ein Wallfahrterlebnis alleine reicht also nicht aus, um Priester zu werden. Vielmehr müsse man erwachsen werden, "als Mensch und als katholischer Christ", so der Hamburger Regens. Das Verfahren von der Aufnahme bis hin zur Weihe beschreiben er und seine drei Kollegen ähnlich. Und das beinhaltet eine Menge Hürden für die jungen Männer.
"Zunächst einmal werden ganz klassisch Zeugnisse, ein Bewerbungsschreiben und ein Lebenslauf eingereicht", sagt Regens Franz Haringer aus Passau. Dann führe er ein Erstgespräch mit dem Kandidaten. Die Fragen, die die Seminarleiter stellen, ähneln sich: Woher kommt die Motivation, Priester werden zu wollen? Besteht die Bereitschaft zum Zölibat? Wo und wie wurde der Glaube bisher erfahren? Dabei verlassen sie sich nicht alleine auf die Aussagen der Kandidaten selbst. Gutachten vom Heimatpfarrer oder dem Religionslehrer werden eingeholt.
Externe Gutachten sollen die Auswahl erleichtern
"Es geht darum, ob die Kandidaten in der Gemeinde aktiv sind, ob sie kommunikativ, psychisch stabil und intellektuell in der Lage sind, ein Theologiestudium zu absolvieren", nennt Regens Benner einige Beispiele aus den Gutachten. Bereits zu diesem Zeitpunkt würden dann wieder einige rausfallen, die nicht "gut genug" seien.
"Bei uns wird die charakterliche Verfasstheit in drei Gesprächen vorab geprüft", erläutert Michael Menke-Peitzmeyer die Methoden im Erzbistum Paderborn. Drei Gespräche mit drei verschiedenen Priestern, von denen einer zudem eine pastoralpsychologische Ausbildung habe. Zusätzlich müssten die Priesteramtskandidaten ein Gutachten ihres Vertrauensarztes einreichen. Dabei gehe es jedoch rein um die körperliche Gesundheit. Den Seminarleitern muss außerdem das erweiterte polizeiliche Führungszeugnis vorgelegt werden. "Nur in seltenen Fällen wird allerdings ein psychiatrisches Gutachten verlangt", sagt Menke-Peitzmeyer.
Auch Bischof oder Generalvikar prüfen den Kandidaten noch, im Gespräch oder anhand von Lebenslauf und anderen relevanten Unterlagen. Übersteht der auch das, stehen die Chancen für eine Aufnahme in das Priesterseminar gut. Doch im Fall der Würzburger Priesteramtskandidaten haben all diese Maßnahmen nichts genützt. "Wir können solche Kandidaten vorab nicht immer erkennen", sagt Menke-Peitzmeyer.
"Bis zur Priesterweihe dauert es immerhin sieben bis zehn Jahre"
"Denn man kann sich auch in einem gewissen Maße verstellen", gibt Regens Matthias Goy aus dem Erzbistum Berlin zu bedenken. Gerade bei jüngeren Kandidaten sei es erst einmal schwierig, das herauszubekommen. Und so ein Kandidat war zumindest einer der Würzburger Seminaristen, der sich erst im 2. Semester seines Theologiestudiums befand. "Ab dem 5. Semester wird es dann etwas klarer", sagt Goy. Denn auch während der Ausbildung werden regelmäßig Gespräche geführt, wird auf das Verhalten der Seminaristen geachtet. "Und bis zur Priesterweihe dauert es immerhin sieben bis zehn Jahre", so der Berliner Regens.
In dieser Zeit, da sind sich die Regenten einig, beantworten die Kandidaten viele Fragen durch ihr alltägliches Zusammenleben. Kann sich der Kandidat integrieren? Wie geht er mit anderen Menschen um? Wie mit Konflikten? Zeigt er sich verlässlich in den ihm übertragenen Ämtern im Haus? "Wenn jemand fromm ist, aber die menschlichen Grundlagen fehlen, ist das ein Grund für den Ausschluss", erklärt Haringer. Natürlich könne man jemanden anleiten, der in der Gemeinschaft gewisse Schwierigkeiten hat. "Durchschleppen geht aber nicht", so der Passauer Regens.
Die Regenten, Subregenten und auch geistlichen Begleiter – so genannte Spirituale – haben also immer einen Blick auf ihre Kandidaten. Dazu kommen die externen "Beobachter". Neben Heimatpfarrer oder Religionslehrer sind das auch Universitätsprofessoren oder Pfarrer, bei denen die jungen Männer ihr Praktikum absolvieren. Umso überraschender waren letztendlich die Vorfälle aus Würzburg - auch für die vier Regenten. Aber sie geben zu, dass auch Fehler gemacht wurden.
Auf psychologische Dinge konzentriert
"Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass erzkonservative Katholiken auch häufiger rechtsextreme Tendenzen haben als liberalere", sagt zum Beispiel Berlins Regens Goy. Gerade bei Spätberufenen sei das ein Problem und führe auch häufig zu Ablehnungen. Die politische Einstellung sei aber bisher nie ein großes Thema gewesen. Das bestätigt auch der Paderborner Menke-Peitzmeyer: "Gerade nach dem Missbrauchsskandal haben wir uns eher auf psychologische Dinge konzentriert. Zukünftig muss es auch um politische Dimensionen gehen." Zumindest eine Parteizugehörigkeit müssten die Kandidaten laut Regens Haringer angeben. Mehr als normale politische Debatten habe es aber auch bei ihm in Passau nicht gegeben.
Ob den Regenten der Mut fehlt, ungeeignete Kandidaten abzulehnen? Sie verneinen es vehement. "Da sind wir uns als Regenten einig. Wir werden unsere Kriterien – trotz eines Rückgangs der Kandidatenzahl – nicht aufweichen", sagt Franz Haringer. Und Berlins Matthias Goy geht noch einen Schritt weiter: "Eher das Gegenteil ist der Fall." Die Ansprüche an die Kandidaten seien gestiegen. Es gehe heute um die Feinheiten und die Frage: "Ist er tatsächlich geeignet, in der heutigen Zeit Priester zu werden?" Früher habe es einfache, kleinere Aufgaben gegeben. "Aber heute muss ein Priester alles können."
Von Björn Odendahl