Streit ums Urheberrecht
Ausgehend von den Zahlen aus den befragten Gemeinden rechnet die VG Musikedition mit einem wirtschaftlichen Schaden "im niedrigen bis mittleren siebenstelligen Euro-Bereich". Gefährdet sei auch die Vielfalt in der Kirchenmusik. Für viele Verlage sei es kaum noch rentabel, Chorwerke zu publizieren, sagte der Geschäftsführer des Deutschen Musikverleger-Verbandes, Heinz Stroh.
Schwer wird allerdings die Suche nach einem Verantwortlichen. Denn die Kirchenstrukturen sind dezentral, Dachverbände und Bistümer verweisen auf die Gemeinden. Deshalb ist es nach Ansicht der VG Musikedition auch kaum möglich, einen Pauschalvertrag aufzusetzen, wie er im Streit um das Nutzen von Liedtexten in Kindergärten mit mehreren Bundesländern geschlossen wurde.
"Die beste Lösung ist es, die Noten zu kaufen", sagte Geschäftsführer Krauß. "Aber für viele ist es einfacher, das Original auf den Kopierer zu legen und den Knopf zu drücken." Am Preis sollte es nicht immer scheitern, meint auch der Kantor der evangelischen Wiesbadener Bergkirche, Christian Pfeifer: "Kunst hat auch ihren Preis. Und Noten sind bezahlbar." Ein Kirchenchorsatz für Gottesdienste und Konzerte koste zwischen 1,50 und 2,10 Euro.
Dachverbände weisen auf die Rechtslage hin
Das sehen offenbar nicht alle so. Deshalb prüft die VG Musikedition derzeit gemeinsam mit dem Deutschen Musikverleger-Verband und dem Deutschen Komponistenverband, welche Schritte sie einleiten will. "Wir können nicht ausschließen, dass wir auch juristisch gegen Gemeinden vorgehen", sagt Krauß.
Nach Angaben des katholischen Verbands der Diözesen Deutschlands (VDD) wurden Pfarreien und kirchliche Einrichtungen in den vergangenen Jahren auf die Rechtslage hingewiesen. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) warnt zudem in einer Broschüre zum Urheberrecht ausdrücklich: "Für das Fotokopieren von Noten und Liedern gilt - im Gegensatz zu anderen Bereichen - de facto ein absolutes Kopierverbot." Wegen der dezentralen kirchlichen Strukturen trage der VDD aber keine Verantwortung in der Frage der Chorkopien.
Das sieht die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau ähnlich: "Wir warnen und wir informieren, und eigentlich müssten es auch alle wissen", sagte Landeskirchenmusikdirektorin Christa Kirschbaum. Vor allem ein neues Preissystem und Angebote wie zum Beispiel günstigere Downloads von Notendateien könnten ihrer Ansicht nach die Lage für Chöre und Musikvertriebe verbessern.
Kein rein kirchliches Problem
Auch der Deutsche Chorverband, unter dessen Dach insgesamt 700.000 Menschen in 25.000 Chören vereint sind, sieht eine Lösung in neuen attraktiven Angeboten und in einer besseren Zusammenarbeit von Chören und Verlegern. Es müsse fortwährend über das Urheberrecht informiert werden, wichtig seien aber auch zeitgemäße Angebote der Verlage und Chöre, um der aufblühenden Szene gerecht zu werden.
"Das illegale Kopieren entschuldigen wir nicht", sagte der künstlerische Geschäftsführer Moritz Puschke der dpa in Berlin. "Aber die Verleger müssen sich andererseits auch hinsetzen und ihr Portfolio überdenken. Da ist noch Potenzial." Im Chorverband sind keine Kirchenchöre organisiert.
Nach Ansicht von Christian Krauß VG Musikedition beschränkt sich das illegale Kopieren allerdings keineswegs auf die Kirche. Unter Umständen werde dies auch in Musikschulen oder bei freischaffenden Musikpädagogen so gehandhabt.
Von Martin Oversohl (dpa)