Was kostet ein Heiliger?
Was ein Engel kostet? "Da reden wir nach dem 13. Oktober drüber", sagt die Frau, die mit ihrem Mann Theo schon eine halbe Ewigkeit Küster in der katholischen Kirche St. Lambertus ist. Am 13. Oktober schallt zum letzten Mal das Glockengeläut vom Lambertus aus Immerath über die Felder des südlichen Niederrhein. Die letzte Messe wird gehalten, die Kirche entwidmet. Später kommt die Abrissbirne, zerlegt die Kirche in Schutt und Asche. Wegen der Braunkohle, wegen dem Tagebau Garzweiler.
Die katholische Pfarrgemeinde muss sich am neuen Ort Immerath viel kleiner setzen. In den letzten Wochen davor geht es in der alten Kirche zu wie beim Umzug im richtigen Leben: Planen, Aussortieren. Interessenten finden für Altar, Heiligenfiguren, Kirchenbänke, Kreuz, Kerzenständer. Im rheinischen Braunkohlenrevier passiert das immer wieder mal. Aber dieses Mal ist es anders.
Mehr als eine Dorfkirche
Vielleicht, weil St. Lambertus mehr als eine kleine Dorfkirche ist. Vielleicht, weil die Leute voller Respekt vom Immerather Dom sprechen. Vom neuen Ort kommen die Leute noch immer per Bus zur Messe. Vor über 150 Jahren griffen vor allem die Bauern für den Kirchenbau in die Tasche.
So wuchs mitten auf dem platten Land ein beachtlicher dreischiffiger Kirchenbau, neoromanisch, mit zwei Türmen und mächtigem Portal - wie für die Ewigkeit gebaut. Niemand hätte sich träumen lassen, dass die Ewigkeit so kurz sein würde. Die Kapelle im neuen Gemeindezentrum am Umsiedlungsstandort wird gerade mal 60 Plätze haben. Pfarrer Werner Rombach zeigt eine Skizze davon, die in der alten Kirche hängt.
Letzter Gottesdienst in Immerath
Am 13. Oktober 2013 findet um 14.30 Uhr der letzte Festgottesdienst in Immerath bei Erkelenz statt. Danach wird die Kirche entwidmet.Die Kirchentüre geht auf und flugs kommen zehn Leute rein. Fremde. Sie schauen sich etwas unentschlossen um, wirken etwas befangen. Man denkt an Schnäppchenjäger bei Wohnungsauflösungen. Pfarrer Rombach erzählt von der Mail einer Frau, voller Bedauern über den geplanten Abriss der Kirche, bis sie schließlich zum Kern kam: Ob man denn auch was kaufen kann und an wen man sich denn wenden muss?
Zwölf Kirchenbänke gehen nach Godesberg
An den "Kapellenvorstand". Der kleine Kreis aus Immerather Bürgern entscheidet, wer den Zuschlag bekommt. Schwestern aus Bad Godesberg stehen auf der Warteliste für zwölf Kirchenbänke. Ein Vater, der zwei Engel für seine Tochter haben möchte oder etwa die kleine Abordnung aus einem Dorf aus der Region, die die Orgel für ihre Kirche kaufen möchte.
Das wäre ein doppelter Glücksfall: Die Orgel käme wieder in eine Kirche und die Immerather könnten hinfahren, um sie zu hören. Das Glockengeläut mit dieser mächtigen Resonanz, die einem wohlig durch den Magen fährt, werden die Immerather verlieren, für immer. Die vier kleinen Glocken gehen mit, die beiden großen passen nicht ins kleine Gemeindezentrum.
Als die alte Kirche gebaut wurde, hat wohl niemand im Traum daran gedacht, dass mal einer die Glocken wieder rausholen würde. Der Turm ist so knapp bemessen, dass man große Löcher reinschlagen muss, um die Glocken abzumontieren.
Von Elke Silberer (dpa)