Zwischen Ehelosigkeit und Laienpredigern
Sie alle haben oder hatten eine Beziehung zu einem Priester oder Ordensmann und wollen mit der Initiative eine "Mauer des Schweigens und der Gleichgültigkeit durchbrechen", der sie jeden Tag begegnen, wie es hieß.
Nun ist die Debatte um den Zölibat, der vor bald 1.000 Jahren als verbindliche Lebensform für katholische Priester festgeschrieben wurde, so neu nicht. Aber mit einem absehbaren Mangel an Priestern in vielen Teilen der Welt und mit Papst Franziskus gewinnt sie, so scheint es, an Fahrt. Wobei viele Theologen sich mit dem Ruf nach einem Aus für die bindende Ehelosigkeit zurückhalten. Und stattdessen andere Möglichkeiten ins Spiel bringen, die eine Seelsorge in den Gemeinden auch ohne Priester möglich machen soll. Prominentester Vertreter dieser Richtung war in der vergangenen Woche der aus Österreich stammende brasilianische Bischof Erwin Kräutler.
Papst habe um "mutige und couragierte" Lösungsvorschläge gebeten
Seine Stimme dürfte gleich doppeltes Gewicht haben: Wie Franziskus kennt Kräutler die Lage in Lateinamerika, wo mit 500 Millionen die meisten Katholiken der Welt leben. Zudem leitet der "Amazons-Bischof" mit Altamira-Xingu auch die flächenmäßig größte Diözese Brasiliens.
Kräutlers Credo: "Wenn die Laien nicht Verantwortung übernehmen, dann gibt es keine Gemeinde mehr." Auch in Europa werde es in zehn Jahren "sicher so sein, dass Frauen und Männer Gemeinden leiten". In einer Privataudienz, so berichtete der Bischof, habe der Papst unlängst um "mutige und couragierte" Lösungsvorschläge für die Zukunft der Seelsorge in Brasilien gebeten.
"Gemeindeerfahrene Laien" - ein Modell für die Zukunft?
Ein Vorschlag werde sicher sein, "dass man Zölibat und Eucharistiefeier entkoppelt". Der Papst werde zwar nicht von heute auf morgen ein Rezept haben, sei aber "sehr offen", betonte Kräutler.
Franziskus' Vorgänger Benedikt XVI. habe stets gesagt, "wir beten um Priesterberufungen", so der Amazonas-Bischof. "Bei diesem Papst ist es anders. Er will einen Prozess in Gang bringen." Es hätten sich "Türen geöffnet". Türen, durch die beispielsweise Fritz Lobinger, bis 2004 Bischof von Aliwal in Südafrika, und der Wiener Pastoraltheologe Paul Zulehner seit Jahren gerne gehen würden. Beide denken an Teams von "gemeindeerfahrenen Laien", die Seelsorgeaufgaben von Priestern übernehmen könnten.
Wunibald Müller: Zölibat könne seelische Not verursachen
Lobinger, der sich in seiner Amtszeit als Bischof viel mit christlichen Basisgemeinschaften beschäftigte, hält allerdings nichts davon, die Diskussion auf Begriffe wie "verheiratete Priester", oder "Abschaffung des Zölibats" zu reduzieren. Denn: "Der große Nachteil ist bei diesen Worten, dass sie den Eindruck erwecken, die Gemeinde könne so passiv bleiben wie bisher." Trotzdem bleibt die Frage, wie und unter welchen Bedingungen Priester künftig in der katholischen Kirche rekrutiert werden sollen. In seiner Zeit als Kardinal in Buenos Aires hatte Jorge Mario Bergoglio noch erklärt: "Derzeit bin ich für die Beibehaltung des Zölibats, mit allem Pro und Kontra, das damit zusammenhängt." Ob er als Papst in dieser Frage umdenkt?
Das zumindest hofft Wunibald Müller. In einem Brief an den Papst schrieb der Münsterschwarzacher Theologe und Psychotherapeut zum Jahreswechsel, bei seiner Arbeit sei er in 25 Jahren vielen Priestern begegnet, die sich "aufgrund des geforderten zölibatären Lebensstils in einer großen seelischen Not befinden". Im Lexikon für Theologie und Kirche steht dazu, dass nicht zuletzt ein sich wandelndes Verständnis von Sexualität "zu einem ehrlichen Hinterfragen der verpflichtenden Verbindung von Zölibat und Priesteramt" zwinge. Der Band erschien im Jahr 2001.
Von Joachim Heinz (KNA)