119 Täter seit 1942
In 102 Fällen handelte es sich um Übergriffe ohne sexuellen Bezug, etwa Schikanen oder Demütigungen. Eine besondere Gruppe stellen die sogenannten Heimkinder da: Hier verzeichnet der Bericht vor allem für die 60er und 70er Jahre Übergriffe gegen 72 Kinder, die in kirchlich geführten Heimen lebten.
"Wir sind nach ausführlichem Aktenstudium allen Hinweisen nachgegangen. Schwerpunkt meiner Arbeit war die Sorge um die Opfer. Die meisten Opfer meldeten sich bei uns im Zuge der Diskussion um sexuellen Missbrauch im kirchlichen Raum ab dem Jahr 2010", sagte Musella in Freiburg: "Zugleich bin ich leider sicher, dass die Dunkelziffer erheblich höher liegt. In alten Personalakten gibt es nur selten Hinweise auf Missbrauchstaten durch Priester, ein Umdenken zu Transparenz und klarer Sanktionierung setzte erst 2002 ein, als die katholische Kirche einheitliche Leitlinien zum Umgang mit Missbrauch beschloss."
Verjährung behindert juristische Aufarbeitung
Die Bandbreite der bearbeiteten Fälle reicht von verbalen Anzüglichkeiten und Grenzüberschreitungen bis hin zu Vergewaltigungen. In 38 Fällen kam es zur Verurteilung, in 3 Fällen wurde eine Haftstrafe verhängt, sonst blieb es bei Geldstrafen. "Ein großes Problem der juristischen Aufarbeitung ist, dass die weit zurückliegenden Fälle fast alle verjährt sind", so Domkapitular Eugen Maier, bis Ende 2010 Missbrauchsbeauftragter des Erzbistums. Viele Täter waren zum Moment der Aufarbeitung verstorben.
Derzeit laufen gegen sieben Priester des Erzbistums kirchenrechtliche Verfahren. Bis zu einer Entscheidung über die ihnen vorgeworfenen Taten sind sie vom Dienst suspendiert. Seit 2010, so Musella in ihrem Bericht, habe es keine Informationen über aktuelle, neue schwere Fälle sexuellen Missbrauchs gegeben. Zuletzt habe es pro Jahr etwa sechs Anfragen gegeben, bei denen Betroffenen den Rat der Missbrauchsbeauftragten bei Grenzverletzungen suchten.
Missbrauchsbeauftragte für höhere finanzielle Hilfen
Die Statistik verzeichnet auch finanzielle Hilfen und Anerkennungszahlungen durch die Kirche für Opfer. So seien bislang Anerkennungsgelder in Höhe von 736.000 Euro an 130 Opfer gezahlt worden. Mit 170.000 Euro beteiligte sich das Bistum an der Finanzierung von Therapien. "Geld kann niemals wieder herstellen, was durch Missbrauch zerstört wurde. Viele Opfer leiden noch Jahrzehnte nach den Vorfällen. Manches Mal hätte ich mir dennoch eine großzügigere Auszahlung gewünscht", sagte Musella.
Die Ergebnisse des Berichts werden einem bundesweiten Forschungsprojekt im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz zugeleitet. Dabei soll untersucht werden, welche Strukturen im kirchlichen Bereich Missbrauch begünstigten. Daraus sollen Lehren für die Vorbeugung gezogen werden. (KNA)