Christen im Irak helfen
Man wolle das mit Menschen tun, die Kenntnisse von der Situation vor Ort haben. Deshalb war am Dienstag der Erzbischof von Mossul, Emil Shimoun Nona, zu Gast. Mehr als 120.000 Christen seien allein seit Juni vertrieben worden und hätten so ihren Besitz, ihre Arbeit und ihre Heimat verloren, schildert der chaldäische Erzbischof die Situation vor Ort.
Alle Gotteshäuser in den Gebieten um Ninive im Nordwesten des Landes seien "mit tausenden von Menschen überfüllt, ebenso wie Hallen, Parks, christliche Schulen und Rohbauten". Den Flüchtlingen fehle es vor allem an Medikamenten und Lebensmitteln. Und jetzt stehe der Winter vor der Tür. "Die Zelte in den Camps sind dafür nicht geeignet." Allein im Zentrum von Erbil, der Hauptstadt der kurdischen Autonomieregion im Irak, gibt es 28 überfüllte Flüchtlingsunterkünfte. "Hier leben je 300 bis 500 Menschen auf engstem Raum, die alles zurückgelassen haben", sagt der Erzbischof.
Dank für schnelle Hilfe aus Deutschland
Bereits zu Beginn der Flüchtlingswelle habe man ein Bischofskomitee eingerichtet, das das Krisenmanagement koordiniere und die Situation der Flüchtlinge kommuniziere, so Nona. Die schnellste Hilfe sei dann seitens der katholischen Kirche und der Hilfswerke aus Deutschland erfolgt. Dafür sprach der Erzbischof von Mossul seinen Dank aus. "Aber ich bin auch mit Ideen nach Deutschland gekommen und möchte hier darüber sprechen."
Interview mit dem Mossuler Erzbischof Emil Shimoun Nona zur Lage im Irak.
Einer, der zu seinen ersten Ansprechpartnern zählt, ist der Vorsitzende der Kommission Weltkirche der Bischofskonferenz, Erzbischof Ludwig Schick. Der kündigte ebenfalls am Dienstag eine Sonderkollekte für die Christen im Irak an, die am 11. und 12. Oktober in allen deutschen Bistümern durchgeführt wird. "Wir müssen unsere Hilfe im Irak fortsetzen und verstärken", sagte Schick. Besonders für den Häuserbau und Nahrungsmittel sei Unterstützung angefordert worden.
Der Bamberger Erzbischof stimmte seinem Amtsbruder aus dem Irak zu, dass gerade der Winter die Flüchtlinge im Irak noch vor große Probleme stellen werde. "Deshalb müssen wir alles tun, damit sich Viren und Bakterien nicht ausbreiten können." Schick betonte jedoch, dass durch zahlreiche deutsche Spenden Flüchtlingen in Jordanien "in ihrer elenden Lebenssituation Hoffnung gegeben und für das Überlebenswichtige gesorgt" werde. In Deutschland hätten die Caritas und einzelne Pfarrgemeinden Räume zur Verfügung gestellt, würden Sprachunterricht geben und bei der Gesundheitsvorsorge helfen. "Dennoch muss unsere Gesellschaft noch gastfreundlicher werden", forderte er.
"IS muss gestoppt werden"
Bei aller humanitären Hilfe sieht der Bamberger Oberhirte aber dennoch "die düstere Möglichkeit von Vertreibung und Flucht aller Christen aus dem mesopotamischen Raum". Zwar hätte sich die Kirche immer gegen jegliche Waffenlieferungen gewehrt. Dennoch müsste in diesem Fall die Terrororganisation IS gestoppt werden. Für die Kirche ändere dies aber nichts "an der grundlegenden Überzeugung, dass der Frieden im Allgemeinen und auch der Frieden im Mittleren Osten nicht das Ergebnis eines Waffengangs sein kann", so Schick. Dafür brauche es im Irak "eine starke Regierung, gute Gesetze und einen gesellschaftlichen Diskurs".
Auch der irakische Erzbischof Nona forderte einen starken irakischen Staat. Nur dann könnten Christen und Muslime dort in Zukunft überhaupt noch zusammenleben. Doch um das zu erreichen, müsse das erste Ziel sein, die IS zu stoppen und aus dem Irak zu vertreiben. Die Chance auf eine friedliche Lösung sieht der Erzbischof, der aktuell mit anderen vertriebenen Christen in Erbil lebt, nicht. "Alle wissen, dass es schwierig ist, mit der IS zu verhandeln oder ins Gespräch zu kommen. Daher waren wir auch dafür, die irakischen und kurdischen Armeen mit Waffen ausrüsten."
Erzbischof Schick zur Situation der Christen im Irak
Gebietsweise kaum noch Christen
In den von den Terroristen eingenommenen Gebieten gebe es kaum noch Christen, sagt Nona. Und wenn noch welche dort seien, hätten sie keine Wahl: "Man muss ihnen folgen oder wird getötet." Den Vorschlag, dass sich die Christen im Irak selbst bewaffnen, hält er jedoch für reinen Selbstmord. Man müsse realistisch sein, sagt Nona. "Als Mossul eingenommen wurden, waren 52.000 irakische Soldaten dort. Die sind aus Angst vor der IS geflohen." Aber auch wenn es aktuell nicht gut aussieht, habe er immer "die Hoffnung auf eine Zukunft und Präsenz des Christentums im Nahen Osten", so der Erzbischof von Mossul.
Auch Kardinal Marx kündigte an, im weiteren Verlauf der Vollversammlung darüber zu diskutieren, wie die caritative Hilfe und wie die politische Botschaft seitens der Kirche im Fall des Irak-Konflikts aussehen könne. "Wir wollen in jedem Fall deutlich unterstreichen, dass wir als Christen solidarisch mit unseren Brüdern und Schwestern sind, die in einer Weise verfolgt werden, wie es in den vergangenen 1.800 Jahren nicht denkbar gewesen ist."