Schmerzhafter Prozess zur Heilung
In der Folge wurden Runde Tische eingerichtet, die Deutsche Bischofskonferenz einigte sich auf neue gemeinsame Richtlinien und das Erzbistum München-Freising hob 2012 in der bayerischen Landeshauptstadt das Zentrum für Kinderschutz aus der Taufe.
Dafür entwickelten das Institut für Psychologie der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom und die Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie Ulm ein weltweit einsetzbares E-Learning-Projekt "Prävention von sexuellem Kindesmissbrauch".
Durch internetgestützte Qualifizierungsangebote sollten Priester, Diakone, pastorale Mitarbeiter, Religionslehrer sowie Ehrenamtliche und Katecheten für die Problematik sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen und sexualisierter Gewalt sensibilisiert werden.
Für die dreijährige Pilotphase gab das Erzbistum 651.000 Euro. Weitere Mittel kamen unter anderem von den Barmherzigen Schwestern vom Heiligen Vinzenz von Paul aus dem Münchner Mutterhaus sowie aus den Diözesen Augsburg, Bozen-Brixen, Innsbruck, Luxemburg und Osnabrück. Am Mittwoch zogen die Verantwortlichen nun in München ein positives Fazit. Über 700 Personen, zu 60 Prozent Frauen, nahmen an dem Projekt teil. Das Durchschnittsalter lag bei 40 Jahren. Die Teilnehmer zeigten sich äußerst zufrieden. So sagten 81 Prozent, dass sie mit den technischen Aspekten der Plattform sehr gut oder gut zurecht gekommen seien. Auch der logische Aufbau gefiel.
Aufmerksamkeit schaffen
Der Präsident des Zentrums, Jesuitenpater Hans Zollner , sagte, mit dem Projekt sei Aufmerksamkeit geschaffen worden und eine Diskussion in Gang gekommen. Gleichzeitig baten er und die geschäftsführende Direktorin, Karlijn Demasure, um Zeit. Denn die Wissenschaft steht in dieser Thematik noch am Anfang. Erste, fundierte Ergebnisse und Antworten, etwa auch auf die Frage, ob die katholische Kirche von ihrer Struktur her und damit ihre Priester besonders anfällig seien, gibt es bisher nicht.
In den USA, in Irland oder Deutschland, überhaupt in all jenen Ländern, in denen eine große Zahl von Missbrauchsfällen öffentlich wurden, ist bisher viel passiert. Zollner deutete aber an, dass es immer noch Staaten, auch in Europa gebe, die das Thema nicht angingen. Ähnlich verhalte es sich in manchen afrikanischen Staaten, wo nicht einmal Regeln für das Vorgehen beim Auftreten eines Missbrauchsfalls erarbeitet worden seien. Prävention brauche eben "Geduld, Ehrlichkeit und Leidenschaft", betonte der Jesuit. Es sei ein langer und schmerzhafter Prozess auf dem Weg zu Heilung und Erneuerung.
Menschen weltweit erreichen
Die Chance des E-Learning-Programms ist es, weltweit die Menschen zu erreichen. Dazu gehören auch viele südamerikanische Länder. Die Teilnehmer dort erlebten die Arbeit mit einer virtuellen Internet-Plattform als innovativ, berichtete Pater Carlos Ignascio Man Ging, der auch Psychologe ist. Sie hätten die Hilfestellung, wie bei konkreten Fällen von Missbrauch gehandelt werden könne, als "sehr praxisorientiert" gelobt. Die Pilotphase habe aber auch gezeigt, dass auf die jeweilige Kultur in einem Land mehr eingegangen werden müsse, erinnerte die Geschäftsführerin. Englisch allein reiche als Sprache nicht aus, weitere Übersetzungen seien nötig.
Ab Januar 2015 wird das Zentrum von München an die Päpstliche Universität Gregoriana in Rom übersiedeln und sich weitere Partner, etwa Katholischen Universitäten weltweit, suchen. Weil Kirche, wie Marx findet, in dieser Angelegenheit noch mehr tun müsse als andere, hat er bereits 500.000 Euro für die nächsten fünf Jahre aus seinem Erzbistum zugesichert. Die Deutsche Bischofskonferenz beteiligt sich ebenfalls. Papst Franziskus hat dem Projekt seinen Segen gegeben, genauso wie zuvor Benedikt XVI. Der hatte gesagt, diese Initiativen würden zu einer "Neugeburt der Kirche" führen, denn es sei die Wahrheit, "die uns frei macht".
Von Barbara Just (KNA)