"Der Verantwortung gestellt"
"Seitdem arbeiten wir an einer ehrlichen Aufklärung und Aufarbeitung, frei von falscher Rücksichtnahme, auch wenn uns Vorfälle gemeldet werden, die schon lange zurückliegen. Die Betroffenen haben ein Recht darauf", so Ackermann.
Ackermann: Der Skandal hat die Kirche verändert
Rückblende: Im Januar 2010 kam ein Stein ins Rollen, der die katholische Kirche in Deutschland in eine ihrer größten Krisen stürzte. Nachdem Pater Klaus Mertes, der damalige Direktor des Berliner Canisuis-Kollegs, Missbrauchsfälle an Kindern und Jugendlichen an der katholischen Schule öffentlich machte, wurden immer mehr Fälle in ganz Deutschland bekannt. Die Täter der oft Jahrzehnte zurückreichenden Verbrechen waren Gemeindepfarrer, Lehrer, Ordensleute, die das Vertrauensverhältnis der Jugendlichen ausnutzten.
"Ich bin der festen Überzeugung, dass das Thema die Kirche in unserem Land, aber auch weltweit verändert hat", sagte Ackermann. Die katholische Kirche habe einen "intensiven Lern- und Entwicklungsprozess durchlaufen, der bis heute nicht abgeschlossen ist". Sie habe es sich zur Aufgabe gemacht, Hinweisen sorgfältig nachzugehen und Vorwürfe gewissenhaft zu prüfen. Ziel sei es "flächendeckend zu einer Kultur der Achtsamkeit durch Präventionsarbeit auf allen Ebenen zu gelangen". Bei der Aufarbeitung des Missbrauchs seien vier Schritte maßgebend: Die Wahrheit der einzelnen Fälle aufzudecken, Verantwortung zu übernehmen, die eigens entwickelten Leitlinien zum Umgang mit Missbrauch uneingeschränkt und aktiv umzusetzen, sowie Prävention zu stärken.
27 Präventionsbeauftragte
Dieses Bemühen schlägt sich in einer ganzen Reihe von Maßnahmen und Projekten nieder. 8.500 Gespräche führten allein die Mitarbeiter einer telefonischen Hotline , die im März 2010 eingerichtet wurde. Dort konnten Betroffene und ihre Angehörige ihre Erlebnisse schildern und sich bezüglich weiterführender Hilfen beraten lassen. Die Hotline wurde nach fast drei Jahren zum Jahresende 2012 eingestellt, nachdem immer weniger Anrufe eingingen.
Außerdem verstärkte die Bischofskonferenz ihre schon bestehenden "Leitlinien zum Vorgehen bei sexuellem Missbrauch". Alle 27 Bistümer richteten Stellen für Präventionsbeauftragte ein, die nach Angaben der Bischofskonferenz mit ihrer Expertise inzwischen vielfältig gefragt sind: "Ich bin dankbar, dass unsere Präventionsbeauftragten inzwischen auch zu Fachberatern in Fragen der institutionellen Prävention außerhalb des kirchlichen Raumes geworden sind", sagte Stephan Ackermann.
Außerdem gibt es eine finanzielle Entschädigung: Die Opfer erhalten bis zu 5.000 Euro. Die Bischofskonferenz ist damit die erste gesellschaftliche Institution, die ein Modell zur materiellen Anerkennung des erlittenen Unrechts einrichtete.
Streit um wissenschaftliche Aufarbeitung
Streit entstand dagegen um die wissenschaftliche Aufarbeitung des Missbrauchs: Ein Projekt mit dem Hannoveraner Kriminologen Christian Pfeiffer platzte im Januar 2013 wegen inhaltlicher Differenzen. Die Bischöfe sprachen von einem "zerrütteten Vertrauensverhältnis", Pfeiffer warf der Kirche "Zensur und Aktenvernichtung" vor. In den Diözesen hatte es einige Kritik an dem Projekt gegeben, weil der Wissenschaftler Einblick in möglichst viele Personalakten der 27 Bistümer erhalten sollte. Gut ein Jahr später, im März 2014, beauftrage die Bischofskonferenz einen anderen Forschungsverbund um den Mannheimer Psychiater Harald Dreßing erneut mit dem Projekt .
Eine weitere Forschungsarbeit über den Missbrauch in der katholischen Kirche ist bereits abgeschlossen: Ende 2012 kam eine Studie des Essener Psychiaters Norbert Leygraf zu dem Schluss, dass katholische Priester, die Minderjährige missbraucht haben, in den seltensten Fällen in klinischem Sinne pädophil seien.
Bischöfe unterstützen unabhängige Aufarbeitungskommission
Unterdessen kündigte Bischof Ackermann in seinem Statement am Donnerstag an, die Bischöfe würden "weitere Überlegungen für ein zukunftsgerichtetes Eintreten der Kirche für den Schutz und die Rechte von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Deutschland" anstellen. Sie unterstützen außerdem die Idee, eine nationale unabhängige Aufarbeitungskommission einzurichten, die sich der gesamtgesellschaftlichen Problematik des Missbrauchs widmet. (gho)