"Der Papst ist radikal"
Franziskus mahne zu einer Rückbesinnung auf die frohe Botschaft des Evangeliums und greife damit die eigentlichen Ursprünge des Christentums auf, schreibt Kasper. "Allein vom Evangelium her kann der Glaube seine Frische wiederwiedergewinnen, können wir neu Freude am Leben, an der Schöpfung, an der Kirche wecken", so der Kurienkardinal, der darin unter anderem Anknüpfungspunkte zu mittelalterlichen Kirchenlehrern wie Thomas von Aquin (um 1225-1274) aber auch zum Reformator Martin Luther (1483-1546) sieht.
Dabei sei der Ansatz von Franziskus keineswegs rückwärtsgewandt, betont Kasper. Es gehe dem Papst darum, der Kirche in der modernen Welt eine neue Stabilität zu verleihen und die kirchliche Lehre aus dem Licht des Evangeliums heraus zu interpretieren. "Wenn ein Haus baufällig geworden ist, nützen Verschönerungsmaßnahmen im Innern nichts. Man muss zuerst die Fundamente sichern."
Kasper hält außerdem große Stücke auf die Dialogfähigkeit des Papstes, der "ein Mann der Begegnung" sei. Dazu bediene sich das Oberhaupt der katholischen Kirche einer "ansprechenden und mitnehmenden Sprache", die einfach sei, aber nichts vereinfache.
Kasper: Reden des Papstes strahlen Hoffnung und Zuversicht aus
Franziskus habe das Charisma, "jeden, die Großen dieser Welt wie die vielen kleinen, unscheinbaren Menschen, von denen nie etwas in der Zeitung steht, anzusprechen", so Kasper weiter. "Er übermittelt seine Botschaft wohlwollend, aber nicht wohlfeil, einladend, aber nicht anbiedernd, jeden willkommen heißend und geradezu umarmend, doch auch unbequem." Die Reden des Papstes wollten herausfordern, hätten aber nichts Aufrührerisches an sich. "Sie strahlen Hoffnung und Zuversicht aus."
Die von Franziskus ausgerufene "Revolution der Barmherzigkeit" aus dem Geiste des Evangeliums sei eine doppelte Herausforderung, schreibt der Kardinal. Und weiter: «Für solche Konservative, welche sich nicht mehr von Gott überraschen lassen wollen und sich Reformen verweigern, wie für solche Fortschrittliche, die nur konkrete Lösungen hier und jetzt erwarten.»
Nicht sei schlimmer, "als der Furor der Katharer, Inquisitoren und Rigoristen, die einer reinen Kirche der Vergangenheit nachtrauern, die es nie gab" oder "der Eifer sich progressiv dünkender schwärmerischer Utopisten für eine reine, ideale Kirche der Zukunft, welche erbarmungslos mit der Gegenwart ins Gericht geht". Franziskus wolle innerkirchlichen Flügelkämpfen eine ganz andere Botschaft entgegensetzen, meint Kasper. "Was der Papst vorschlägt, ist der demütige Weg gläubiger Menschen, die Kontinente verschieben und Berge versetzen." (bod/KNA)
Heinweis: Kaspers Buch erscheint am Mittwoch im Verlag des Katholischen Bibelwerks in Stuttgart.