"Viele Frauen sind faktisch Diakonin"
Frage: Herr Vesper, was ist die Aufgabe des ZdK?
Vesper: Wir machen Kirche da anwesend, wo sie nur durch Laien repräsentiert werden kann, etwa in der Familie oder am Arbeitsplatz. Dabei sind wir sehr demokratisch aufgestellt und arbeiten nicht auf Weisung eines Bischofs, sondern aus eigener Initiative.
Frage: In welchen Bereichen nehmen Sie besonderen Einfluss?
Vesper: Wir bestimmen die politische Debatte mit und sprechen mit der Stimme des politischen Katholizismus. Im Moment schalten wir uns immer wieder in die aktuelle Diskussion um die Pränataldiagnostik (PID) ein und betonen dabei immer den Schutz des Lebens, ob des Ungeborenen oder des behinderten Menschen.
Zur Person
Dr. Stefan Vesper, geb. am 15. Februar 1956 in Düsseldorf ist seit 1999 Generalsekretär des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK). Der katholische Theologe lebt mit seiner Familie in Bad Honnef.Frage: Wo sehen Sie Grenzen Ihres Einflusses?
Vesper: Unser Einfluss ist immer so groß wie unsere Argumente überzeugen. Manchmal werden unsere Argumente nicht gehört oder es gibt Mehrheiten, die anders denken. Da müssen wir noch überzeugender werden. Dabei ist es uns wichtig, Mitspieler statt Zuschauer zu sein. Das heißt konkret, auch Ämter im Parlament zu übernehmen und Politik aktiv mitzugestalten.
Frage: Das ZdK vertritt das Anliegen von Katholiken in der Öffentlichkeit. Bei so vielseitigen Strömungen in der kirchlichen Welt ist es nicht einfach, allen gerecht zu werden. Wie gelingt es trotzdem zu einer gemeinsamen Position zu finden?
Vesper: Ganz wichtig ist die ZdK-Vollversammlung, die zwei Mal im Jahr stattfindet. Indem wir regelmäßig zusammenkommen, schaffen wir es, dass konservative und progressive Katholiken in ihrer Meinungsbildung auf einen vertretbaren Nenner zu kommen. Solche Gesprächsprozesse sind innerhalb der Kirche sehr wichtig.
Frage: Wie auch der Dialogprozess, der im Juli 2011 Mannheim angestoßen wurde. Grund ist der Wunsch nach Reformen, der innerkirchlich immer lauter wird. Was sind für Sie die drängendsten Fragen?
Vesper: Zu den prominentesten Themen gehört die Frage nach dem Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen auf pastoraler Ebene in der Gemeinde und im Gottesdienst, aber auch im Arbeitsrecht. Eine andere drängende Frage ist die nach der Rolle der Frauen in der Kirche. Da wünschen wir uns eine stärkere Beteiligung. Viele leitende Positionen in den Bistümern sind noch von Priestern besetzt, obwohl sie auch von Frauen bekleidet werden können. In den Gemeinden üben viele Frauen bereits faktisch den Dienst einer Diakonin aus, ohne die Weihe empfangen zu dürfen. Das muss sich ändern.
Frage: Was kann der Dialogprozess zur Lösung solcher Fragen beitragen?
Vesper: Der Dialogprozess lenkt die Reformüberlegungen in eine Bahn. Treffen mit den Bischöfen, wie kürzlich in Hannover, führen dazu, dass wir uns besser kennenlernen und eine Vertrauensbasis schaffen. Mit der Gesprächsatmosphäre in Hannover waren wir sehr zufrieden. Die Tagung verlief in allen Phasen trotz unterschiedlicher Meinungen und Grundhaltungen ohne Misstöne. Zuletzt gab es diese vertrauensvolle Ebene 1972 in der gemeinsamen Synode von Würzburg.
Tagesordnung der ZdK-Vollversammlung
Die wichtigen innerkirchlichen Themen werden am Samstag (24.11.) in Angriff genommen: Plädoyer des ZdK für einen anderen Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen mit Prof. Dr. Eberhard Schockenhoff. Am Ende soll eine Erklärung verabschiedet werden."Partnerschaftliches Zusammenwirken von Frauen und Männern in der Kirche", konkret Frauen in der Gemeindeleitung. Dazu wird Cora Mateo von den Philippinen als Gastrednerin über ihre Erfahrungen sprechen. Der Freitag (23.11.) ist gesamtgesellschaftlichen Themen gewidmet: Ein Tagesordnungsprunkt ist das partnerschaftliche Handeln von Christen und Muslimen in der Gesellschaft. "Nachhaltig wirtschaften und einkaufen" heißt ein weiterer Schwerpunkt mit Bundesumweltminister Philipp Rösler.Frage: Der nächste Katholikentag ist 2014 in Regensburg. Wenn Sie drei Wünsche frei hätten im Hinblick auf Reformen, welche sollten bis dahin erfüllt sein?
Vesper: Erstens wünsche ich mir, dass bis dahin in allen Bistümern Regelungen für die Zusammenlegung der Gemeinden geschaffen werden und Laien „Ortsgemeinden“ leiten können. Gut gelöst ist das heute schon im Bistum Hildesheim. Dort ist ein Pfarrer bisweilen für zehn Gemeinden zuständig. Natürlich kann er nicht überall gleichzeitig sein und deshalb gibt es in jeder Gemeinde einen Beauftragten, der offiziell in einer Feier vom Generalvikar entsendet wird und die Kirche vor Ort repräsentiert. Ob es nun um Gottesdienste oder Öffnungszeiten des katholischen Kindergartens geht oder um lokale Politik.
Frage: Ein wichtiger Punkt. Und Sie haben noch zwei weitere Wünsche frei…
Vesper: Als zweites wünsche ich mir Regelungen für wiederverheiratete Geschiedene, die ihnen in Fällen, wo es möglich ist, erlaubt an den Sakramenten teilzunehmen. Und mein dritter Wunsch ist, dass wir durch den Dialogprozess als Kirche unsere Glaubwürdigkeit und das Vertrauen der Öffentlichkeit zurückgewinnen können.
Das Interview führten Janina Mogendorf, Steffi Schmitz und Peter Philipp