Wenn Irland im Januar die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt fällt auch Licht auf ein schwieriges Verhältnis zwischen Land und Kirche

Die Bastion wackelt

Veröffentlicht am 30.12.2012 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Irland

Bonn ‐ Irland und der Katholizismus: Lange Zeit war das eine quasi natürliche Verbindung. Doch wenn das Land zum ersten Januar die Ratspräsidentschaft der Europäischen Union (siehe Kasten) übernimmt, fällt der Blick auch auf eine Landeskirche vor großen Herausforderungen.

  • Teilen:

Zum Beispiel im Streit mit der Regierung um eine Änderung des Abtreibungsgesetzes. Die Debatte darum war entbrannt, nachdem Ende Oktober die aus Indien stammende Savita Halappanawar nach einer Fehlgeburt gestorben war. Die Ärzte im University Hospital Galway hatten sich geweigert, den Fötus der in der 18. Woche Schwangeren zu entfernen, bevor dessen Herztätigkeit aufgehört hatte. Nach dem Tod des Ungeborenen hatte die Frau sich eine Blutvergiftung zugezogen, an der sie starb.

In Irland ist Schwangerschaftsabbruch grundsätzlich verboten. Zulässig ist er nur bei Gefahr für das Leben der Mutter oder bei der Gefahr, die schwangere Frau könne Selbstmord begehen. Geht es nach der Kirche soll das auch so bleiben.

In einer Erklärung hatten die Bischöfe den Tod von Halappanavar und ihres ungeborenen Kindes als "furchtbare persönliche Tragödie" bezeichnet. Es sei jedoch niemals Lehre der katholischen Kirche gewesen, dass das Leben eines Embryos mehr zu schützen sei als das Leben der Mutter, heißt es in der Erklärung weiter.

Ein Zentrum des Glaubens: Die Katholische St.-Patricks-Kathedrale im Erzbistum Armagh (Nordirland).
Bild: ©Creative Commons/Flying jacket

Ein Zentrum des Glaubens: Die Katholische St.-Patricks-Kathedrale im Erzbistum Armagh (Nordirland).

Wenn eine Schwangere eine medizinische Behandlung benötige, die das Leben des Kindes gefährde, seien solche Maßnahmen "ethisch erlaubt, sofern jede Anstrengung unternommen wurde, das Leben sowohl der Mutter als auch ihres Kindes zu schützen", so die Bischöfe weiter.

Im neuen Jahr will sich Regierungschef Enda Kenny mit Kirchenvertretern zu einer Aussprache treffen. Änderungen im Abtreibungsgesetz scheinen wahrscheinlich. Auch, weil der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Änderungen bereits 2010 angemahnt hat.

Debatte um Schulträgerschaft

Konflikte zwischen Kirche und Staat schwelen auch im Bildungssektor: Dort plant die Regierung die Umwandlung einiger katholischer Schulen in multikonfessionelle Einrichtungen. Anlass ist eine Umfrage in fünf Gemeinden, in denen es ausschließlich katholische Schulen gibt. Dabei hätten sich zwischen 37 und 50 Prozent der befragten Eltern für mehr Wahlfreiheit bei der Schulträgerschaft ausgesprochen. Irlands Bildungsminister Ruairi Quinn wertete dies irischen Medienberichten zufolge als Zeichen für den Wunsch nach mehr Vielfalt in der Schullandschaft. Insgesamt befinden sich in Irland über 90 Prozent der Grundschulen in katholischer Trägerschaft. Nach dem Testlauf sollen in Kürze landesweit ähnliche Befragungen erfolgen.

Der Vorsitzende der Gruppe "Catholic Schools Partnership", Michael Drumm, kritisierte die Pläne der Regierung. In einem Bericht der Tageszeitung "Irish Examiner" verwies er auf die geringe Beteiligung an der Umfrage. Es sei offensichtlich, dass es einen großen Bedarf an katholischen Schulen gebe, so Drumm und weiter: "Es ist aber auch klar, dass wir das System ändern müssen, um der Minderheit der Eltern gerecht zu werden, die sich andere Schulformern wünschen."

Bild: ©picture alliance / empics/Paul Faith

Kirchenmann im Fokus der Öffentlichkeit: Kardinal Seán Brady ist Erzbischof von Armagh, Primas der römisch-katholischen Kirche von ganz Irland und Vorsitzender der Irischen Bischofskonferenz.

Dass sich die Stellung der katholischen Kirche in der irischen Gesellschaft wandelt, belegt eine im Oktober veröffentlichte Umfrage des Marktforschungsinstituts „Ipsos MRBI.“ Demnach folgten 78 Prozent der Befragten bei moralischen Entscheidungen ihrem Gewissen und nicht notwendigerweise der Lehre der Kirche. Jeder Fünfte glaubt der Befragung zufolge nicht an die Auferstehung Christi oder die Erschaffung der Welt durch Gott. Sieben Prozent gaben an, überhaupt nicht an Gott zu glauben. Auch den Zölibat lehnt eine Mehrheit der Befragten ab.

Die Krise wirkt nach

Einen direkten Zusammenhang der Ergebnisse mit dem Missbrauchsskandal sehen irische Medien zwar nicht. Dennoch hat dieser die Kirche auf der Insel in eine schwere Krise gestürzt, die noch immer nachwirkt: Verschiedene Berichte der letzten Jahre weisen zahlreiche Fälle von Missbrauch aus. Millionen Euro an Entschädigungen sowie Rücktritte mehrerer Bischöfe gehörten zu den Folgen.

In der Kritik steht auch der Primas von Irland, Kardinal Séan Brady. Ob seiner Rolle bei der Untersuchung eines Missbrauchsfalls in den 1970er Jahren sieht sich der Erzbischof von Armagh (Nordirland) schon länger mit Rücktrittsforderungen konfrontiert. Brady selbst sagt, er genieße unter den Gläubigen große Unterstützung.

Rund 84 Prozent der Menschen in Irland sind Katholiken. Was bei Kirchenvertretern in anderen europäischen Ländern wahre Begeisterungsströme auslösen würde, beschreibt auf der Insel einen historischen Tiefstand. Allerdings: In absoluten Zahlen gibt es wegen der gewachsenen Bevölkerung jedoch mehr katholische Iren als jemals zuvor, nämlich 3,86 Millionen.

Potenzial für die Kirche ist also genug vorhanden. Wenn im kommenden halben Jahr die Europa verstärkt auf Irland schaut, kann das auch die für die Kirche eine Chance sein, mit Worten und Taten für ihre Positionen zu werben und die Krise zu überwinden.

Von Christoph Meurer (mit Material von KNA)

EU-Ratspräsidentschaft

Der Vorsitz im Rat der Europäischen Union wechselt jedes halbe Jahr zwischen den EU-Mitgliedsländern. Das heißt, dass bei den Treffen der jeweiligen Minister in Brüssel der Vertreter aus dem Präsidentschaftsland den Vorsitz hat. Einzige Ausnahme ist der Rat für Auswärtige Angelegenheiten, dem der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik vorsitzt. In einer Erklärung hat die irische Regierung betont während des Vorsitzes, "wirksame und positive Entscheidungen herbeizuführen, um die wirtschaftliche Wiederbelebung Europas und den sozialen Zusammenhalt zu unterstützen." Man wolle "einen aktiven Beitrag zu Stabilität, der Schaffung von Arbeitsplätzen und Wachstum in Europa" leisten. Das genaue Programm soll im Januar vorgestellt werden.