Ein Stück katholischer
Als "Antemurale Christianitatis" (Vormauer beziehungsweise Bollwerk der Christenheit) hatte Papst Leo X. 1519 das mit Ungarn vereinigte Kroatien bezeichnet. Die katholischen Südslawen waren wichtige Abwehrkämpfer gegen die Ausbreitung des Osmanischen Reiches nach Mittel- und Südeuropa. Katholisch ist das Land schon viel länger. Papst Johannes IV. (640-642) beauftragte einst Erzbischof Johannes von Ravenna mit der Mission Kroatiens.
In der Regel keine Tagespolitik
Von den rund 4,5 Millionen Kroaten geben rund 88 Prozent an, römisch-katholisch zu sein. Die Rolle der Kirche in der Politik sei aber nicht so stark, sagt Pater Zvonko Tolic, Leiter der kroatisch-katholischen Gemeinde in Stuttgart. In der Regel halte sie sich aus der Tagespolitik heraus. Anders herum respektiere die Politik die Kirche. Allerdings gebe es in jüngster Zeit Differenzen zwischen der Kirche und der amtierenden Mitte-Links-Regierung, erläutert der Pater
Ein Beispiel dafür sind rund 750.000 Unterschriften für einen Volksentscheid; gesammelt für eine Verfassungsänderung, die die Ehe als Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau festschreiben soll. Damit wollen die Initiatoren der Unterschriftenaktion die von der Regierung angekündigte Einführung eingetragener Lebenspartnerschaften homosexueller Paare verhindern.
Schon rund 400.000 Unterschriften hätten dafür gereicht. Laut kroatischer Verfassung ist ein solches Votum verbindlich für die Politik. Regierungspolitiker hatten zuletzt aber infrage gestellt, ob ein Volksentscheid in diesem Fall überhaupt zulässig beziehungsweise verbindlich sei. Juristen sehen schon die Gefahr einer politischen Krise.
Zwar ist die Kampagne nicht von der Amtskirche initiiert. Allerdings unterstützt laut Pater Tolic die "Hierarchie der Kirche" die Aktion des aus katholischen Kreisen entstammenden Bürgerkomitees. "In letzter Zeit profilieren sich verschiedene politisch-gesellschaftlichen Organisationen, die mit der Kirche eng verbunden sind, sehr stark", sagt der Geistliche.
Ringen um Werte
So auch die Organisation Grozd, die gegen den Sexualkunde-Unterricht an Schulen geklagt hatte und im Mai Recht bekam. Das kroatische Verfassungsgericht erklärte den Unterricht für unzulässig und setzte den geltenden Lehrplan im Fach Gesundheitskunde aus. Dieser trage dem Recht der Eltern auf die Erziehung ihrer Kinder nicht ausreichend Rechnung, heißt es in der Urteilsbegründung.
Schon vor Inkrafttreten des Lehrplans im Februar hatten die Kirche und verschiedene Organisationen der Zivilgesellschaft den neuen Unterricht kritisiert. Es würde Pornografie, Masturbation, Empfängnisverhütung, "Sex ohne Emotionen", Homosexualität und Geschlechtskrankheiten unterrichtet, hieß es auf Flugblättern der Kritiker. Bis auf weiteres bleibt der alte Lehrplan in Kraft, Medien sprechen von einem "kalten Krieg" um die Sexualkunde.
Wie in vielen Ländern der Europäischen Union ringen Kirche, Politik und Gesellschaft auch in Kroatien die Verfasstheit des Landes. Vorläufiger Höhepunkt dabei war das Outing von Staatschef Ivo Josipović als Agnostiker: "Ich akzeptiere, dass Gott existiert, aber meine Erfahrung hat das nicht bestätigt", sagte er in einem Zeitungsinterview im vergangenen Dezember.
Eine Achterbahnfahrt
"Der Weg der kroatischen Kirche im 20. Jahrhundert gleicht einer Achterbahnfahrt", schreibt Franz Morawitz von der österreichischen Nachrichtenagentur Kathpress. Unter dem faschistischen Ustascha-Regime (1941-1945) kollaborierte ein Teil des Klerus mit den Machthabern. Der 1998 von Papst Johannes Paul II. seliggesprochene Kardinal Alojzije Stepinac (1898-1960) trat hingegen nach anfänglicher nationaler Euphorie entschieden gegen die Gewaltherrschaft der Faschisten ein.
Nach der Machtübernahme der Kommunisten unter Josip Tito wurde die katholische Kirche und mit ihr Stepanic in Jugoslawien zunächst scharf unterdrückt. Erst nach dem Tod des Kardinals, der die letzten Jahre seines Lebens unter Hausarrest stand, war Tito zu Zugeständnissen bereit.
Infolge der staatlichen Unabhängigkeitserklärung Kroatiens in Jahr 1991 konstituierte sich 1993 die nationale Bischofskonferenz, bereits ein Jahr zuvor hatte der Vatikan nach Deutschland als zweiter Staat Kroatien diplomatisch anerkannt.
Karitatives Engagement
"Die Kirche in Kroatien ist bemüht, sich seit dem Verfall des Kommunismus durch intensive karitative Arbeit zu profilieren", sagt Pater Zvonko Tolic. Dies sei besonders während des Unabhängigkeitskrieges von Bedeutung gewesen, aber auch heute seien viele Sozialfälle der Fürsorge der Kirche überlassen.
"Kroatien hat eine 1.400 Jahre alte europäische und mediterrane Kultur", hatte der kroatische Generalkonsul Vjekoslav Krizanec vor wenigen Tagen in Bonn gesagt. "Im Land gibt es eine starke Zugehörigkeit zum europäischen Wertekanon." Doch wie dieser aussieht, darüber gehen die Meinungen stark auseinander.
In Zeiten der Finanzkrise und immer dann, wenn wieder der mögliche EU-Beitritt der Türkei auf der Agenda steht, wird über die Seele Europa gestritten. Man darf gespannt sein, welchen Beitrag Kroatien dazu leisten wird. (mit Material von KNA und dpa)
Von Christoph Meurer