Gipfeltreffen der besonderen Art
Es dürfte um den Dialog zwischen Religionen und Kulturen, um die globale Krise samt ihren ethischen Implikationen gehen. Aber sicher werden auch die großen Krisen etwa in Nahost, in Afrika oder der Ukraine zur Sprache kommen.
Es ist nicht der erste Kontakt zwischen dem Vatikan und der US-Führung seit Franziskus' Wahl. Bereits im Januar war Außenminister John Kerry zu einem ausführlichen politischen Gespräch bei Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin. Eineinhalb Stunden lang sprachen sie über den Nahen Osten, insbesondere über Syrien - wenige Tage vor der Genfer Syrien-Konferenz - aber auch über Südsudan und andere Krisenherde oder Notsituationen in der Welt. Gerade dem Nahen Osten gelten die besonderen Interessen des Heiligen Stuhls und der USA, die freilich nicht immer übereinstimmen.
Syrien: Differenzen zwischen Heiligem Stuhl und den USA
Diese Differenzen wurden deutlich, als Franziskus Anfang September zu einem weltweiten Friedensgebetstag für Syrien einlud - angesichts einer drohenden Bombardierung des Bürgerkriegslandes durch die USA. Der Appell fand große Resonanz. Auch Muslime und Juden schlossen sich der religiösen Initiative an. Und in den Staatskanzleien fand der Vorstoß des Papstes Anerkennung und Respekt. Dass das Bombardement schließlich ausblieb, führte Franziskus später besonders auf die Macht des Gebets zurück.
Kirchenpolitische Beobachter der US-amerikanische Jesuit Thomas Reese rechnen mit einem sehr guten Verlauf des ersten Treffens von Franziskus und Obama. Der Präsident freue sich, mit dem Papst über den Kampf gegen die Armut und gegen wachsende Ungerechtigkeit zu sprechen, hieß es in einer Mitteilung des Weißen Hauses. Sicher wird Franziskus freilich auch ethische Themen ansprechen. Und in Fragen etwa von Abtreibung oder Stammzellforschung sind Kirche und US-Regierung weit auseinander.
Das hatte Franziskus auch beim letzten Neujahrsempfang für das diplomatische Korps deutlich gemacht, als er vor den unterschiedlichen Gefährdungen des Friedens warnte - durch Waffengewalt, durch Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen, aber auch durch Abtreibung. Weiter dürften aber die Ströme von Flüchtlingen und illegalen Einwanderern zur Sprache kommen, wo die Meinungen ebenfalls geteilt sein dürften.
Vor fünf Jahren schon bei Benedikt XVI.
Für Obama ist es nicht der erste Besuch im Vatikan. Vor fünf Jahren war er, bald nach seiner ersten Wahl, bei Benedikt XVI. Es war eine herzliche Begegnung, nach der sich beide - trotz unterschiedlicher Positionen etwa zum Thema Lebensschutz - höchst zufrieden über die Beziehungen zwischen der politischen und geistlichen Großmacht äußerten und ihre Zusammenarbeit beschworen.
Absehbar scheint weiter, dass Obama den Papst zu einem Besuch in die USA einlädt. Der Weltfamilientag 2015 in Philadelphia wäre für Franziskus ein geeigneter Anlass für einen erneuten Transatlantik-Flug. Hier hat freilich der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses John Boehner soeben dem demokratischen Präsidenten etwas die Schau gestohlen, als er in einem nicht ganz protokollgemäßen und zudem wenig erfolgversprechenden Vorstoß den Papst zu einer Rede vor dem Kongress einlud - wenn er im nächsten Jahr ohnehin im Lande sei.
Von Johannes Schidelko (KNA)