Katholische Kirche ringt um Position zu Waffen für Irak

Brutales Dilemma

Veröffentlicht am 21.08.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Irak

Bonn ‐ Deutschland ist nun doch zu Waffenlieferungen in den Irak bereit. Nach langem Zögern hat sich die Bundesregierung am Mittwoch offenbar dazu durchgerungen, Waffen für den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) bereitzustellen - und das trotz restriktiver Rüstungsexportrichtlinien für Spannungsgebiete und der erklärten Absicht von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), deutsche Rüstungsexporte zu verringern.

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Glaubt man Umfragen, stellt sich die Bundesregierung damit gegen die Mehrheit der Bevölkerung. Nach einer am Mittwoch veröffentlichten Forsa-Studie für das Magazin "stern" sind 63 Prozent der Befragten gegen Waffenlieferungen, um die Kurden im Kampf gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" zu unterstützen. 30 Prozent befürworten sie.

Bislang keine eindeutige Antwort

Darf man Waffen gegen einen brutalen Aggressor einsetzen oder auch liefern? Ein moralisches Dilemma, auf das auch die katholische Kirche in Deutschland bislang keine eindeutige Antwort findet. Ein klares Nein zu Waffenlieferungen und Militärschlägen formulierte die katholische Friedensbewegung Pax Christi: Sie warnte zugleich die Kirche davor, Militäreinsätze zu rechtfertigen. "Wir haben zwei schreckliche Weltkriege hinter uns, zu denen die Kirchen mitaufgerufen hatten", sagte die Pax-Christi-Bundesvorsitzende Wiltrud Rösch-Metzler dem "Neuen Ruhrwort". Es bestehe die Gefahr, dass die Kirche sich wieder in nationale, wirtschaftliche und Bündnis-Interessen verwickeln lasse.

Kardinal Reinhard Marx im Halbprofil
Bild: ©KNA

Kardinal Reinhard Marx

Unterscheidung von Waffenlieferungen und militärischer Gewaltanwendung

Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick unterscheidet demgegenüber zwischen deutschen Waffenlieferungen und der grundsätzlichen Frage der militärischen Gewaltanwendung. Den Export todbringender deutscher Waffen in den Irak lehnte er ab. Für richtig hielte er es aber, wenn die Bundesregierung nicht-tödliche Rüstungsgüter liefern wolle, sagte der Vorsitzende der Kommission Weltkirche der Bischofskonferenz."Wir brauchen dort nicht mehr, sondern weniger Waffen", so Schick einerseits. Andererseits begrüßte er aber die US-Luftschläge - mit der Begründung, dass die USA schließlich Mitverantwortung für den Irak trügen und viele Waffen der Extremisten von dort stammten.

Nur indirekt äußerte sich der Vorsitzende der Bischofskonferenz, der Münchner Kardinal Reinhard Marx: In einer solchen Situation sei es erlaubt, "Menschen zu retten mit all den zur Verfügung stehenden Mitteln", sagte er am vergangenen Freitag. Ähnlich offen formulierte es der Hildesheimer Bischof Norbert Trelle: Die Grausamkeiten an Christen und Jesiden im Nordirak verdienten den massiven Widerstand aller zivilisierten Völker.

Einsatz aller legitimen Mittel

Eindeutiger waren die Äußerungen katholischer Bischöfe auf europäischer Ebene: Der Rat der europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) appellierte am vergangenen Mittwoch in einem ungewöhnlichen Schritt an den Weltsicherheitsrat. Die internationale Gemeinschaft müsse "diese Tragödie beenden, und zwar mit allen ihr möglichen legitimen Mitteln".

Aufsehen erregen auch Äußerungen aus dem Vatikan. Der Ständige Beobachter des Heiligen Stuhls bei den Vereinten Nationen, Erzbischof Silvano Tomasi, sagte am Wochenende, ein militärisches Eingreifen zum gegenwärtigen Zeitpunkt sei "vielleicht notwendig". Deutlicher wurde der Apostolische Nuntius im Irak, Erzbischof Giorgio Lingua: Es sei "gut", jenen Leuten, "die keine Skrupel haben, die Waffen aus den Händen zu nehmen".

International abgestimmtes Vorgehen gefordert

Papst Franziskus hat sich lange bedeckt gehalten, am Montag aber erklärt, er halte ein militärisches Eingreifen im Irak unter bestimmten Umständen für gerechtfertigt. Einen "ungerechten Aggressor" aufzuhalten, sei "legitim", sagte er auf dem Rückflug von Südkorea nach Rom. "Ich benutze bewusst das Wort stoppen, ich spreche nicht von Bombardieren oder Kriegführen", betonte der Papst. Er forderte ein international abgestimmtes Vorgehen. Ein einzelner Staat könne eine solche Entscheidung nicht treffen.

Von Christoph Arens (KNA)