Das Gebet - Ein Ausdruck der Gottesverehrung
Das Gebet ist Ausdruck der Gottesverehrung und damit ein Grundelement aller Religionen. Nach christlichem Verständnis darf sich der Betende in jeder Situation seines Lebens mit seinen Anliegen an Gott wenden. Möglich macht das der Glaube an einen persönlichen Gott, der allgegenwärtig und stets für den Menschen ansprechbar ist. Der Akt des Betens als persönlich oder auch gemeinschaftlich vorgetragenes Gebet unterscheidet sich von dem Gebet als vorformulierter oder feststehender Gebetstext. Zu den bekanntesten christlichen Gebeten gehört das Vaterunser, das auf Jesus Christus zurückgeht. In der Regel werden Gebete in der Familie und in der Kirche weitergegeben und eingeübt. Es gibt Gebete zu bestimmten Anlässen im Leben des einzelnen und der Gemeinschaft und es gibt Gebete, die einen festen Platz in der Liturgie des Kirchenjahres haben, wie zum Beispiel das Rosenkranzgebet im Mai und im Oktober.
Die christlichen Gebete wurzeln in der Gebetstradition des Alten Testaments. Insbesondere die Gebets- und Liedersammlung der Psalmen haben neben der jüdischen Liturgie auch die christliche Liturgie nachhaltig geprägt. Gebet leitet sich von „bitten“ ab und gibt so den Rahmen vor für das Verhältnis zwischen Mensch und Gott. Das Psalmengebet ist ein sehr persönliches Gespräch mit Gott, der sich als ein liebender, den Menschen bejahender Gott erfahren lässt. In der Haltung des Hörenden öffnet sich der Beter für Gottes Wort und bekennt dankbar:“Du hast mir Raum geschaffen, als mir Angst war. Sei mir gnädig und höre auf mein Flehen.“ (Psalm 4,2) Der persönliche Charakter des Gebetes erlaubt dem Beter aus der abwartenden und empfangenden Rolle heraus aktiv zu werden.
Dementsprechend finden sich im Psalmenbuch Lob-, Dank- und Vertrauenslieder, aber auch Klage- und Bittgebete. Betend bringt der Mensch sein ganzes Leben mit all den hellen und dunklen Seiten vor Gott zur Sprache. Aus alttestamentlicher Sicht sind eine gute Gesinnung und ein entsprechendes Verhalten gegenüber den Mitmenschen entscheidend für die Wirksamkeit des Gebets.
Ein Blick in das Neue Testament zeigt, dass auch das Gebet Jesu in der alttestamentlichen Frömmigkeit der Psalmen wurzelt. Jesu Gebet zeichnet sich durch ein unerschütterliches Vertrauen in seinen Vater aus, das selbst die Stunde seines Todes am Kreuz nicht zerstören kann, auch wenn im Angesicht des Todes das Gebet Jesu zutiefst menschlich mit dem Ausruf „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“(Mk 15,34) den eigenen Lebenswillen herausschreit.
Die enge Verbundenheit Jesu mit Gott zeigt sich in besonderer Weise in der vertrauensvollen Anrede „Abba“, aramäisch für Vater, die auch das Vaterunser einleitet. Dass das Vaterunser im Mittelpunkt der urchristlichen Gebetstradition steht, bezeugen im Mattäusevangelium die Bergpredigt und im Evangelium nach Lukas die Unterweisung der Gemeinde. An anderen Stellen im Neuen Testament wird auf die Bedeutung des Heiligen Geistes für das rechte Beten hingewiesen, so im Johannesevangelium und in den Briefen des Apostels Paulus. Wichtig für das christliche Gebet ist es, dass der Beter im Einklang mit dem Willen Gottes betet.
In der frühen Geschichte des Christentums wurde von den ersten Kirchenvätern die Bedeutung des Vaterunsers als Inbegriff christlichen Betens festgeschrieben. Durch die verschiedenen Etappen der Kirchengeschichte brachten viele Klöster eine eigene Gebetstradition hervor, die das Schema von Lesung – Besinnung – Gebet – Betrachtung weiterentwickelte mit dem Ziel in Gott zur Ruhe zu kommen. Das Gebet des einzelnen kommt aber erst durch das Gebet in der Gemeinschaft – sei es in einer Ordensgemeinschaft oder als gemeinschaftliches Beten in der Kirche – zu seiner eigentlichen Bestimmung. Christliches Beten in der Kirche heißt Beten in Gemeinschaft mit Jesus Christus, heißt durch Jesus Christus nicht nur die anwesenden Mitchristen betend mitzutragen, sondern alle Brüder und Schwestern in Christus auf der ganzen Welt.
Dem trägt die Liturgie des katholischen Gottesdienstes Rechnung: die im Laufe der Geschichte des Christentums ausgebildeten liturgischen Gebete sind universal, sie gelten in allen katholischen Kirchen weltweit. Innerhalb des Gottesdienstes vollziehen sie sich zum einen als Begleit- und Deuteworte des Priesters beispielsweise während der Eucharistiefeier, zum anderen in gemeinsam gesprochenen feststehenden Gebetstexten wie im Schuldbekenntnis, Glaubensbekenntnis, Vaterunser und anderen. Hinzukommen Fürbittgebete zu tagesaktuellen Anliegen und für Kranke und Verstorbene.
Die Vielfalt des Gebets
Die Vielfalt der Gebete jenseits des sonntäglichen Gottesdienstes ist groß: die Spendung der Sakramente Taufe, Erstkommunion, Firmung, Ehe, Priesterweihe und Krankensalbung wird von Segens- und Weihegebeten, das der Beichte von Lossprechungsgebeten begleitet. Verbreitet sind auch Gebete an Maria und an Heilige, die zur Fürsprache bei Gott angerufen werden. Gebete können gesungen, laut ausgesprochen oder im Stillen für sich formuliert werden. Im Alltag bewährt haben sich Morgen- und Abendgebete, um den Tag mit Gott zu beginnen und zu beschließen, außerdem das Tischgebet, das als Dankgebet zum Essen gesprochen wird. Unterschiedliche Körperhaltungen und Gesten begleiten das Gebet: stehen, knien, niederwerfen, den Kopf senken, die Hände erheben oder falten. Im Zusammenhang mit Gebeten werden oftmals Symbole wie Gebetsketten (Rosenkranz), Kreuze oder Ikonen benutzt.
Das Gebet in all seinen Formen stärkt nicht nur die Beziehung des Menschen zu Gott, sondern schärft sein Bewusstsein für das, was zu tun ist.