Ärger um ein großes Loch
Erstmals seit der Reformation hatten die Katholiken der Spreemetropole, damals wie heute etwa ein Zehntel der Bevölkerung, wieder einen Kirchbau. Bis heute ist er ein historisches Wahrzeichen der deutschen Hauptstadt.
Marode Elektrik, feuchte Fundamente
Nun steht das Gotteshaus, das mit der Gründung des Bistums Berlin 1930 zur Kathedrale wurde, vor einer großen Änderung. Das Erzbistum Berlin nimmt die schon seit Jahren erwogene Sanierung in Angriff. An diesem Freitag startet sie mit einem Architektenwettbewerb.
Ein Anlass sind marode Elektrik, feuchte Fundamente und verschmutzte Wände. Die letzte umfassende Renovierung liegt 50 Jahre zurück, als der Wiederaufbau der bombenzerstörten Kirche abgeschlossen wurde. Chor und Orchester erhielten dabei provisorische Standorte, die als unbefriedigend gelten. Doch außer diesen Erfordernissen geht es vor allem um "das Loch".
Acht Meter große Öffnung
Der Begriff beschreibt eine Besonderheit, die sonst keine Bischofskirche in Deutschland aufweist. Es ist eine rund acht Meter große Öffnung im Zentrum des Baus, umgeben von einem Geländer. Vor dem Hauptaltar der Kathedrale führt dort eine Treppe in die Unterkirche zu einem weiteren Gottesdienstbereich mit Altar, der von Grabkapellen umgeben ist. Dort ruhen die Berliner Bischöfe und der seliggesprochene Dompropst Bernhard Lichtenberg (1875-1943), der seinen Protest gegen die Judenverfolgung mit dem Leben bezahlte.
Die Treppenanlage hat keinen Vorläufer im ursprünglichen Konzept der Hedwigskirche. Sie stammt vom renommierten Düsseldorfer Nachkriegs-Architekten Hans Schwippert (1899-1973), der den Wiederaufbau leitete. Sie sollte der Oberkirche im Untergeschoss einen zusätzlichen Raum erschließen, erklärt Jan Krieger, der das bauhistorische Gutachten für die Sanierung erstellte.
Kritik am Konzept des Architekten Hans Schwippert
Von Anbeginn stieß Schwipperts Konzept auf Kritik. Nun erhält sie durch Kardinal Rainer Maria Woelki neuen Nachdruck. "Am Altar habe ich das große Loch vor mir", klagt der Berliner Erzbischof. "Und die Gottesdienstgemeinde ist links und rechts in zwei Lager geteilt." Damit verhindert es das Raumkonzept nach Woelkis Worten geradezu, die liturgische Reform des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) umzusetzen, der zufolge sich die Gläubigen um den Altar versammeln.
Mit diesem theologischen Argument hat das Erzbistum gute Karten. "Wenn es nur nach dem Denkmalschutz ginge, würde die architektonische Rarität unangetastet bleiben", betont Rudolf Lückmann, der den Architektenwettbewerb im Auftrag des Erzbistums organisiert. Bei Kirchenbauten sieht das Berliner Denkmalschutzgesetz jedoch vor, dass auch theologische Kriterien berücksichtigt werden müssen.
„Die Gottesdienstgemeinde ist links und rechts in zwei Lager geteilt.“
Vom Wettbewerb erhofft sich Kardinal Woelki nun "kreative Lösungen". Er ist nach eigenen Bekunden "offen für eine Fortschreibung der jetzigen Lösung und für eine Neukonstruktion". Zunächst können sich Architekten aus aller Welt beteiligen, aus ihren Vorschlägen wählen die Preisrichter dann für eine zweite Phase 15 Konzepte aus. Bis 30. Juni 2014 soll der Siegerentwurf feststehen.
Woelki: Einen Fall Limburg wird es nicht geben
Erst dann sind Kostenschätzungen möglich, wie Woelki betont. Auf jeden Fall soll das Projekt möglichst aus Spenden, Stiftungen und staatlichen Zuschüssen finanziert werden. Zudem ist ein "Ort der Begegnung" von Kathedralbesuchern und "benachteiligten Menschen" im benachbarten Bernhard-Lichtenberg-Haus der Domgemeinde geplant. Damit will das Erzbistum dem Vorbild der Kathedral-Patronin, der heiligen Hedwig von Schlesien (1174-1243), folgen, die für ihr soziales Engagement verehrt wird. "Wir wollen ein möglichst transparentes Verfahren", verspricht der Kardinal. Einen "Fall Limburg" soll es nicht geben, versichert er in Anspielung auf das umstrittene Diözesanzentrum von Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst .
Von Gregor Krumpholz (KNA)