"Autorität muss man sich verdienen"
Frage: Prälat Tighe, welchen Eindruck haben Sie von der katholischen Medienarbeit in Deutschland?
Paul Tighe: Ich habe einen sehr positiven Eindruck mit vielen sehr gut qualifizierten und erfahrenen Leuten, die bei ihrer Arbeit die Veränderungen der Medienwelt miteinzubeziehen versuchen. Und ich sehe großen Einsatz und Veränderungswillen, um effektiver kommunizieren zu können. Ich sehe hier eine Kirche, die sehr reich an Ressourcen ist. Das wichtigste ist, die Medienschaffenden zum Zusammenarbeiten zu bringen, damit ihre Energien und Talente besser der Arbeit der Kirche dienen.
Frage: Welche Rolle können die sozialen Netzwerke für die kirchliche Kommunikation spielen?
Tighe: Ich denke, dass Social Media uns an die Ursprünge der Kommunikation erinnert: Es geht darum, Informationen auszutauschen, aber auch darum, Beziehungen aufzubauen. Das Prinzip der sozialen Netzwerke ist, Informationen von Menschen aufzunehmen, denen wir vertrauen und die wir kennen. Ein Teil von dem, was die Kirche tun muss, ist diese Netzwerke zu nutzen, um gute Beziehungen zu den Menschen wiederherzustellen und um ihnen die Informationen zu bieten, die wir für hilfreich und unterstützend für sie halten.
Frage: Aus dem päpstlichen Medienrat ist der Twitter-Account des Papstes entstanden. Welche Erfahrungen machen sie damit?
Tighe: Ich war Teil der Gruppe, die die Autoritäten in Rom davon überzeugt hat, dass Papst Benedikt XVI. auf Twitter gehen sollte. Der Papst selbst hat die Möglichkeiten davon erkannt und sagte, dass ihm der Kurznachrichtendienst ermöglichen werde, mit der Frohen Botschaft immer mehr Menschen zu erreichen. Der Twitter-Start war an sich wichtig, denn es ist ein gutes Kommunikationsmittel, aber es hat auch einen symbolischen Wert: Es zeigt dem ganzen Rest der Kirche, dass wir in den sozialen Netzwerken präsent sein müssen. Sie sind nämlich keine Modeerscheinung, sondern wichtig für uns, wenn wir den verschiedenen Bereichen präsent sein wollen, in denen Menschen reden, diskutieren und neue Ideen herausbilden.
Frage: Interessiert es Papst Franziskus, was bei Twitter passiert?
Tighe: Der Papst hat darum gebeten, über die Reaktionen informiert zu werden. Wir sammeln – auch auf Facebook-Plattformen – die Reaktionen der Leute, ihr Einvernehmen und was ihnen gefällt oder was sie bewegt. Manchmal bekommen wir die Möglichkeit, ihm dann ein allgemeines Feedback zu präsentieren.
Frage: Wie groß ist die Hürde für die Kirche, sich das Von-oben-nach-unten-Kommunikationsprinzip abzugewöhnen?
Tighe: Jemand sagte jüngst, dass digitale Medien und soziale Netzwerke unmittelbar, offen und frei seien. Dies ist eine Herausforderung für alle Hierarchien, die eine Top-Down-Kommunikation gewohnt sind. Im Wesentlichen geht es um Autorität: Man kann Autorität nicht mehr einfach beanspruchen, man muss sie sich verdienen. Und Autorität verdient man sich damit, dass man Dinge sagt, die die Menschen zu schätzen wissen, dass man sich auf sie einlässt, dass man ihre Fragen hört und keine Angst hat, in einen Dialog mit ihnen zu treten. Wir sind gerade dabei, dies zu lernen.
Nur Mut! - Unter der Überschrift "Mission Medien - Zukunftsszenarien kirchlicher Kommunikation" tagte der Katholische Medienkongress in Bonn.
Frage: Wir mutig dürfen Journalisten in katholischen Medien künftig sein, Dinge auszuprobieren?
Tighe: Ich habe beim Katholischen Medienkongress viele Menschen mit vielen Ideen gesehen. Wir müssen diese Ideen ausprobieren, mit ihnen arbeiten, sie bewerten und sehen, ob sie funktionieren oder nicht. Dadurch lernen wir alle. Das wichtigste ist, dass Energie und Enthusiasmus da sind und man etwas ausprobieren kann. Manches wird gelingen, anderes nicht, aber auch Papst Franziskus sagt, er mag lieber eine verbeulte Kirche. Nicht alles ist immer perfekt.
Frage: Müssen wir mehr kommunizieren als verkündigen?
Tighe: Wir sind offensichtlich sehr daran gewöhnt, zu senden und Sendungen sind auch wichtig. Aber wahre Kommunikation erfordert, dass wir, wenn wir sprechen, predigen oder eine Botschaft mitteilen wollen, auch die Menschen kennen. Wir müssen ihre Sorgen kennen, weil wir ihnen zuvor zugehört haben. Erst dann können wir etwas sagen, das bedeutsam ist, das entschlossen ist und ihnen Hoffnung gibt.
Das Interview führte Sarah Schortemeyer
Übersetzt von Agathe Lukassek