Beispielloses Treffen
Bei einer eindrucksvollen Zeremonie im Schatten des Petersdoms beteten Juden, Christen und Muslime dabei nacheinander und getrennt, aber im Bewusstsein, dass sie "Söhne Abrahams" seien - und damit Brüder, wie der Papst hervorhob.
Nach den vielen erfolglosen Verhandlungen und immer neuen Anläufen des Friedensprozesses will Franziskus mit seiner Initiative einen "neuen Weg" im Dauerkonflikt Nahost einschlagen. Er will den Blick der Politiker von einer neuen Ebene aus auf den Konflikt und auf Einigungschancen lenken. Dafür wählt er die Ebene der Religion, die den Akteuren in Nahost so wichtig ist, und die bislang allzu häufig für Trennung und Gewalt in Anspruch genommen und vereinnahmt wird.
Eigentlich sollte der Friedensgipfel nach dem Wunsch des Papstes vor Ort stattfinden: in Jerusalem , während seiner Heilig-Land-Reise vor zwei Wochen. Aber das klappte aus logistischen Gründen nicht. Und so fand dieses beispiellose Treffen in den Vatikanischen Gärten statt. Genau 20 Jahre nach dem historischen Friedensvertrag, den Jitzhak Rabin und Jassir Arafat auf dem Rasen des Weißen Hauses unterzeichnet hatten und der durch immer neue Gewalt und Gegengewalt bald zur Makulatur wurde.
Im romantischsten Teil der vatikanischen Gärten mit Blick auf den Petersdom hatten sich die Delegationen von Juden, Christen und Muslimen versammelt, mit Musikern zusammen gut einhundert Personen. An der Stirnseite saßen auf beige-gepolsterten Sesseln in der Mitte der Papst, rechts neben ihm Abbas und links Peres . Die drei Religionen beteten getrennt und nacheinander. Nach der historischen Reihenfolge zunächst die Juden, dann die Christen und zuletzt die Muslime, unterbrochen durch musikalische Einlagen aus ihrer jeweiligen Tradition.
Psalmen, Schriftlesungen und Korantexte
Die Gebete - Psalmen, Schriftlesungen und Papst-Texte sowie Korantexte - folgten dem gleichen System: Nach einem Lob Gottes für das Geschenk der Schöpfung und der Menschheitsfamilie erbaten sie Vergebung für ihre Verfehlungen gegenüber Gott und den Mitmenschen. Im dritten Teil wandten sie sich an Gott mit der Bitte um das "Geschenk des Friedens im Heiligen Land".
Papst Franziskus hatte die politischen Gäste zu einer rein religiösen Begegnung eingeladen, zu einem Gebetstreffen. Wie schmal freilich der Grat zwischen Religion und Politik ist, zeigte sich insbesondere bei den anschließenden Reden. Hier formulierten der Papst und die beiden Politiker in Gebetsform Hoffnungen und Erwartungen an einen Frieden in der Region. Ein Frieden, der Mut verlange, den Dialog fortzusetzen und die Spirale des Hasses zu überwinden. Und der Geduld voraussetze, um ein "immer festeres Netz eines respekt- und friedvollen Zusammenlebens zu knüpfen, zur Ehre Gottes und zum Wohl aller", wie der Papst sagte.
Die Spannung war greifbar
Peres verlangte in seiner Ansprache Kompromisse und Opfer von Israelis wie von Palästinensern. Beide Parteien müssten hierbei Partner auf Augenhöhe sein, es müsse um einen "Frieden zwischen Gleichen" gehen. Abbas erbat in seiner Ansprache im Namen von Muslimen und Christen von Gott einen gerechten Frieden zwischen Israelis und Palästinensern. Dabei forderte er die Achtung von Freiheit und Menschenwürde in einem "souveränen und unabhängigen Staat" der Palästinenser.
Peres und Abbas waren nacheinander im Vatikan eingetroffen und einzeln und getrennt vom Papst begrüßt worden. Sichtlich gespannt saßen sie dann neben dem Papst, hörten bei beginnender Dämmerung den Gesang der Rabbiner und des Imam. Zum Abschluss umarmten sich die Teilnehmer, erst der Papst mit seinen Gästen, dann auch Peres und Abbas, und pflanzten im Vatikan-Garten einen Olivenbaum - als Symbol des Friedens. Franziskus verabschiedete seine Gäste mit dem dreisprachigen Friedensgruß "Schalom, Pace, Salem". Es muss sich zeigen, welche Resonanz seine Initiative findet, ob der "neue Weg" tatsächlich Hoffnung für die Zukunft der Krisenregion gibt.
Von Johannes Schidelko und Thomas Jansen (KNA)