Das gab's noch nie
Man ist sich einig: Eine so deutliche Kritik eines Papstes an seinem Verwaltungsapparat ist ein Novum. Noch nie habe ein Papst "seine Kritik so deutlich geäußert", erklärte etwa der Passauer Bischof Stefan Oster im Bayerischen Rundfunk. Ähnlich sieht das der langjährige deutsche Nuntius, Kardinal Giovanni Lajolo: "Um ehrlich zu sein, so etwas ist zuvor noch nie passiert", sagte der überraschte Lajolo am Dienstag in einem Interview mit dem Online-Dienst "Vatican-Insider". Während die Päpste beim Weihnachtsempfang für die Leiter und leitenden Mitarbeiter der Kirchenleitung traditionell das vergangene Jahr Revue passieren lassen, hat Franziskus nun einen anderen Akzent gesetzt.
Er warnte die Kurie vor 15 'Krankheiten', darunter etwa exzessiven Aktivismus, übermäßige Planung, die keinen Raum mehr für den Heiligen Geist lasse, oder das Problem schlechter Zusammenarbeit. Ebenfalls sprach er Fehler an, die sich vor allem auf das Glaubensleben beziehen. So nannte er das Vergessen der Heilsgeschichte "sprituelles Alzheimer ".
Lajolo: Struktur der Kurie vereinfachen
"Zum ersten Mal fordert ein Papst die Kurie auf, sich selbst bei einer Reihe problematischer Themen zu hinterfragen", kommentierte Lajolo. Er könne die Forderungen Franziskus‘ aber durchaus nachvollziehen: Die Struktur der Kurie müsse vereinfacht und die kirchlichen Institutionen effizienter werden, um Skandale zu verhindern. Und damit sei es nicht getan: Auch an der Einstellung der Kurialen müsse sich etwas ändern. "Franziskus fordert uns auf, vorsichtig über unser Verhalten und unsere Schwäche zu reflektieren und dabei an das Schlechte zu denken, das wir tun", so Lajolo wörtlich.
Die Kritik aber nur auf die Bischöfe und Kardinäle in Rom zu beziehen, greift zu kurz. Darauf wies der Journalist Pater Bernd Hagenkord im Kölner Domradio hin: "Ich glaube, es täte allen ganz gut, nicht nur auf die Kurie zu zeigen, nach dem Motto ‚Der Papst hat denen aber gesagt...‘, sondern erstmal zu gucken, was da vielleicht im eigenen Leben nicht ganz gut läuft", mahnte Leiter der deutschsprachigen Redaktion von "Radio Vatikan". Nach seinen Worten beginnt die Kirchenreform für Franziskus eben nicht bei der Struktur, sondern bei jedem Einzelnen.
Hagenkord: Das verstört schon ein wenig
Zudem habe der Papst in seiner Rede nur von "Versuchungen" gesprochen: "Das war aber keine Wutrede, die er den Mitarbeitern entgegengeschleudert hat. Er meint also: Das kann passieren, wenn hier was schiefläuft", erklärt Hagenkord. Falls bei dem einen oder anderen möglicherweise der Zeitpunkt und der harsche Ton der Kritik nicht gut ankam, ist das für Hagenkord nachvollziehbar: "Das verstört schon ein wenig, ja. Wir haben scherzhaft gesagt: Kluge Mitarbeitermotivation sieht anders aus."
Das sieht auch ein User so, der unter dem Artikel zur Kurien-Kritik des Papstes auf der katholisch.de-Facebook Seite diskutiert: "Ich versuche, meine Firmen mit meinen Mitarbeitern zu führen und nicht gegen sie. Und ansonsten gilt der Grundsatz, den jeder junge Abteilungsleiter in den ersten zwei Wochen beigebracht bekommt: Tadeln unter vier Augen, Loben vor der Mannschaft", steht da. Andere sind positiver gestimmt: "Der Papst, der sich was traut. Wo er Recht hat, hat er Recht", lautet ein Kommentar.
"Da hat der Papst uns doch alle erwischt"
Ähnlich sieht das Stimmungsbild auf dem Kurznachrichtendienst Twitter aus: "Der Typ fängt an, mir zu gefallen", schreibt ein User kurz und prägnant. Und es gibt auch nachdenkliche Posts: "Papst Franziskus: Die Liste der ‚15 Krankheiten der Kurie‘ Aufmerksam lesen - gilt nicht nur dort!!!" oder "Da hat der Papst uns doch alle erwischt mit seinen 15 Krankheiten der Kurie". Mit Humor nimmt der Journalist Christian Wölfel die Kritik: "Ob die Menschen mit spirituellem Alzheimer so eine Weihnachtsansprache vom #Papst schnell wieder vergessen?", fragt er ironisch.
So oder so: Nach diesem Auftakt dürften die Predigten und Ansprachen des Papstes während der Weihnachtstage mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt werden. Man darf gespannt sein, welche Botschaften Franziskus noch verkündet. (mit Material von KNA)
Von Gabriele Höfling