Das wünscht sich die Kirche von der GroKo
Die Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD laufen. An den Plänen zur Begrenzung des Familiennachzugs für Flüchtlinge übte die Kirche bereits massive Kritik. Doch auch andere Themenfelder wie die Jugend- oder Familienpolitik beschäftigen die katholischen Verbände. Was sie sich von der künftigen Bundesregierung wünschen, haben sie katholisch.de erzählt.
Flüchtlingspolitik
Kritisch sieht die Kirche die Pläne der künftigen Koalitionäre zum Familiennachzug. Den Beschluss des Bundestags vom Donnerstag, ab August pro Monat nicht mehr als 1.000 Menschen nachzuholen, findet die Caritas falsch. Bereits am Montag sagte Präsident Peter Neher: "Ein Land wie Deutschland kann die Aufnahme und Integration schutzsuchender Menschen in einer wesentlich höheren Größenordnung gut meistern." Diese "willkürliche und viel zu niedrige Grenze" trenne Familien die durch das Grundgesetz und die Europäische Menschenrechtskonvention geschützt seien. Zudem sei unklar, nach welchen Kriterien die monatliche Auswahl getroffen werden sollte. Der Vertreter der Deutschen Bischofskonferenz in Berlin, Prälat Jüsten, sieht es als "untragbare Härte, wenn Familien auf unabsehbare Zeit getrennt werden." Einen "Skandal" nennt der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki die Entscheidung.
Familienpolitik
Im Bereich der Familienpolitik sieht der Familienbund der Katholiken noch einige Verbesserungsmöglichkeiten. "Für Kinder muss künftig mehr Personal zur Verfügung stehen", fordert Präsident Stefan Becker. In Zahlen heißt das: In Kitas sollten nicht mehr als drei Kinder unter drei Jahren auf eine Erzieherin kommen, bei Vorschulkindern nicht mehr als sieben Kinder. Dahinter bleiben die aktuellen Zahlen deutlich zurück. In Mecklenburg-Vorpommern etwa liegt die Vorgabe bei Kindern unter drei Jahren bei 1:6, bei Kindern von drei Jahren bis zum Schuleintritt bei 1:15. In NRW ist der Zahlenschlüssel bei den jüngeren 2:10 und den älteren 1:15. Die Zahlen variieren jedoch stark von Bundesland zu Bundesland.
Weiter will der Familienbund, dass Familien das Elterngeld länger beziehen können als die bisher vorgesehenen 12 bis 14 Monate. Im Sondierungspapier fehlen dem Verband außerdem steuerliche Vorteile für Familien über das Instrument von Kinderfreibeträgen in der Renten-, Kranken-und Pflegeversicherung. Schließlich trügen Familien mit der Erziehung ihrer Kinder — der späteren Beitragszahler — zur Sicherung des umlagefinanzierten Sozialsystems bei. Außerdem will der Familienbund der Katholiken das Kindergeld nicht nur erhöhen, sondern mit dem "Kinderzuschlag" für besonders einkommensschwache Familien zusammenfassen.
Jugend
Das Thema "Jugend" ist Sicht des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) bei den Verhandlungen über eine neue Regierung deutlich unterrepräsentiert: Im Sondierungspapier sei nur die Jugendarbeitslosigkeit und der Anspruch auf Ganztagsbetreuung im Grundschulalter explizit erwähnt. Der BDKJ fordert die Regierungsparteien auf, die Anliegen des Nachwuchses im Koalitionsvertrag ernster zu nehmen – und eine eigenständige Jugendpolitik zu etablieren, die als Querschnittspolitik in alle Politikfelder hineinreicht. Künftig sollten junge Menschen schon mit 16 statt erst mit 18 Jahren den Bundestag wählen können.
Umwelt
Mit dem Klimawandel beschäftigt sich das Sondierungspapier zu wenig. Das kritisieren BDKJ und der Bund Katholischer Unternehmer (BKU). Deutschland müsse im Klimaschutz eine Vorreiterrolle einnehmen und das Pariser Klimaabkommen und andere Vereinbarungen zum Umweltschutz konsequenter umsetzen. Die Ziele von Paris nicht infrage gestellt werden, um Kohlekraftwerke länger zu erhalten, erklärt der BKU-Bundesvorsitzende Ulrich Hemel. Die soziale Marktwirtschaft müsse sich in Richtung einer "energetisch effizienten" Wirtschaft weiterentwickeln.
Wirtschaft
Nicht einig sind sich die katholischen Verbände in ihrer Bewertung der geplanten Wirtschaftspolitik. Laut Matthias Rabbe von der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) muss vor allem bei der den Themen "Bürgerversicherung" und "sachgrundlose Befristung" noch nachgebessert werden. Dass sich bei der Krankenversicherung die Parteien im Sondierungspapier und jetzt bei den Koalitionsverhandlungen darauf einigten, die Arbeitgeber künftig wieder genauso viel zahlen wie Arbeitnehmer, ist der KAB nicht genug. Sie will, dass die Zweiteilung in private und eine gesetzliche Krankenversicherung und damit die "Zwei-Klassenmedizin" abgeschafft wird. Auch der Praxis, Angestellte ohne einen ersichtlichen sachlichen Grund nur befristet einzustellen, müsse Einhalt geboten werden. Dieses Anliegen vertritt zwar auch die SPD – in den Sondierungsgesprächen konnte sie aber wenig erreichen. "Junge Menschen sind nicht selten mal zehn Jahre in diesem Schwebezustand, hangeln sich von Vertrag zu Vertrag. Damit haben sie keine Chancen, sei es auf einen Kredit oder eine größere Wohnung. Eine Familie zu gründen, wird da schwer", sagt Rabbe.
Anders sieht die bisherigen Ergebnisse der BKU: "Wir sind froh, dass die Einheitsversicherung im Gesundheitswesen abgewendet ist", erklärt der Bundesvorsitzende Ulrich Hemel. Auch, dass es keine Steuererhöhungen geben, die Lohnnebenkosten von Arbeitnehmern 40 Prozent nicht überschreiten und für Unternehmen Bürokratie abgebaut werden soll, begrüßt der BKU. Dass der "Soli" zwar für niedrige und mittlere Einkommen, aber nicht komplett wegfallen soll, findet Hemel jedoch enttäuschend. Genauso sieht es beim Beitrag zur Arbeitslosenversicherung aus, der um 0,3 Prozent sinken soll: "Die Rücklagen der Sozialversicherung geben deutlich mehr her." Gleichzeitig warnt der BKU die künftigen Koalitionäre vor sozialen Wohltaten im Bereich der Renten, Arzthonorare oder bei der Mütterrente. "So nachvollziehbar diese Wünsche sind – sie kosten Milliarden", sagt Hemel. Und das gelte auch dann noch, wenn die Sozialversicherungen durch den demografischen Wandel noch stärker unter Druck gerieten.
Frauen
Geht es nach den Verbänden, sollte sich die neue Bundesregierung noch stärker für eine Gleichstellung von Frauen einsetzen. Sie begrüßen zwar, dass es künftig ab einer bestimmten Unternehmensgröße ein Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit gibt, von dem vor allem Frauen profitieren. Begrüßenswert ist aus Sicht der Verbände ebenfalls, dass Frauen, die vor 1992 drei oder mehr Kinder zur Welt gebracht haben, drei Jahre Erziehungszeit für die Rente geltend machen können. Mechthild Heil, die Vorsitzende der KfD warnt jedoch, bei der Mütterrente an diesem Punkt stehen zu bleiben: "Langfristiges Ziel muss bleiben, allen Eltern – unabhängig vom Geburtsdatum des Kindes – drei volle Jahre Erziehungszeit pro Kind in der Rente anzurechnen". Der BDKJ fordert zudem, die sogenannte "Istanbul-Konvention" des Europarats konsequenter umzusetzen. Sie soll Frauen und Mädchen besser vor Gewalt schützen und ist in Deutschland zum 1. Februar in Kraft getreten. Der Bundesverband fordert nun, eine Koordinierungs- und unabhängige Monitoringstelle einzurichten.