Havannas Erzbischof Jaime Ortega geht in den Ruhestand

Der Bote des Papstes auf Kuba tritt ab

Veröffentlicht am 27.04.2016 um 00:15 Uhr – Von Tobias Käufer (KNA)  – Lesedauer: 
Kardinäle

Havanna ‐ Er hat die entscheidende Botschaft nach Washington gebracht: Kardinal Jaime Ortega war einer der wichtigsten Vermittler zum kommunistischen Regime in Havanna. Bei Dissidenten kam seine Arbeit nicht immer gut an.

  • Teilen:

In die Geschichtsbücher schaffte es Ortega vor allem mit einem inzwischen bereits legendären Botendienst: Papst Franziskus hatte sich für einen seiner wichtigsten Vertrauten in Lateinamerika entschieden, der vor fast zwei Jahren nach Washington reisen sollte. Unbemerkt von der ansonsten so aufmerksamen US-Hauptstadtpresse gelangte der Erzbischof von Havanna ins Weiße Haus. Nicht mal in den offiziellen Besuchslisten der US-Regierung tauchte der Name Ortega an diesem Tag auf.

Was er US-Präsident Barack Obama damals übergab, hatte politischen Zündstoff: ein Schreiben von Papst Franziskus, das Ortega ausdrücklich nur Obama persönlich in die Hände geben sollte. Einen ähnlichen Brief hatte der Kardinal in der Heimat bereits seinem Staatspräsidenten Raul Castro - ebenfalls persönlich - zukommen lassen. Der Rest der Geschichte ist bekannt: Das Eis zwischen den ideologischen Todfeinden brach; beide Seiten sind dabei, die Beziehungen zu normalisieren. Sowohl Obama als auch Castro bedankten sich ausdrücklich für die Vermittlungstätigkeit des Papstes.

Die Feindin der Revolution

Die Episode vom prominenten "Briefträger des Papstes" unterstreicht den Stellenwert, den Ortega in dieser historischen Periode auf der kommunistisch regierten Karibikinsel genoss. Das war lange Zeit anders. Die katholische Kirche galt als Feindin der Kubanischen Revolution; sie war vom gesellschaftlichen Leben praktisch ausgeschlossen und als Gesprächspartnerin nicht akzeptiert.

Das änderte sich, als sich Raul Castro und Ortega 2011 völlig überraschend zum ersten öffentlichen Gespräch überhaupt trafen. Auch damals musste der Kardinal in die Rolle des Vermittlers schlüpfen. Hilfesuchend hatten sich die Familienangehörigen der seit Jahren inhaftierten kubanischen Dissidenten an Ortega gewandt. In schwierigen Verhandlungen gelang es ihm, die Freilassung aller im "Schwarzen Frühling" 2003 weggesperrten pazifistischen Regimekritiker zu erreichen.

Ein roter Oldtimer in einer Straße mit bunten Häusern
Bild: ©andrea-goeppel.de

Auf Kuba ist der katholische Glaube stark verwurzelt.

Allerdings zu einem hohen Preis: Viele von ihnen wurden nach Spanien ausgeflogen. Von dort aus haben sie bis heute kaum eine Möglichkeit, sich noch in den politischen Prozess auf der Insel einzuklinken. Schon damals gab es erste Kritik an Ortega: Er habe sich zu sehr auf die Regierungslinie eingelassen, hieß es aus dem Umfeld der zwar geretteten, aber auch frustrierten Dissidenten. Ein erster Vorgeschmack nur auf das, was noch folgen sollte.

Ein Vermittler ist Ortega bis heute geblieben. Das macht ihn angreifbar. Denn wer vermittelt, muss zunächst mal versuchen, die unterschiedlichen Standpunkte zu verstehen und sie zu respektieren. Denn in der polarisierten Welt von totalitärer kommunistischer Herrschaft einerseits und Fundamentalopposition auf der anderen Seite ist das kaum möglich, ohne jeweils eine Seite misstrauisch werden zu lassen.

Auf Kritik reagiert der Vermittler in Ruhe

Als sich Ortega im Vorfeld des Besuches von Papst Franziskus in einem Interview in unglücklicher Wortwahl über die Lage der politischen Gefangenen auf Kuba äußerte, die es gar nicht mehr gebe, reagierten einige Dissidenten entsetzt. Exilkubaner in Miami sprachen Ortega fortan das Recht ab, weiter für die kubanische Kirche zu sprechen. Auf die Angriffe reagierte der Kardinal klug. Er stellte seine Aussagen in den richtigen Kontext und nahm seine Kritiker in die Verantwortung: indem er sie um eine Liste mit den Namen von politischen Gefangenen bat, damit er sich für sie einsetzen könne. Anschließend gab es eine große Amnestie.

Nachfolger des 79-Jährigen ist der bisherige Erzbischof von Camagüey, Juan de la Caridad Garcia Rodriguez (67). Ihm machten Kubas Machthaber bereits ein Antrittsgeschenk: Die kommunistische Ein-Parteien-Regierung übergab der katholischen Kirche eine Kapelle zurück, die im Zuge der Enteignungen vor mehr als 50 Jahren konfisziert worden war.

Linktipp: Eine kleine Enttäuschung

Viele haben die bisher politischste Reise des Papstes erwartet. Vielleicht liegt es daran, dass zumindest der erste Teil zu einer kleinen Enttäuschung wurde. So wurden Vorwürfe laut, die Kirche erkenne die kommunistische Diktatur auf Kuba an.
Von Tobias Käufer (KNA)