Der Engel mit der Nummer 26.147
"Er war ein Heiliger! Kein Zweifel. Ich nehme dieses Wort nicht schnell in den Mund", sagte der Jesuitenpater Clemente Pereira. Prälat Hermann Scheipers sprach vom "deutschen Maximilian Kolbe". Gemeint ist Pater Engelmar Unzeitig, der wie die beiden Priester im Konzentrationslager Dachau eingesperrt war. Pereira und Scheipers überlebten, Unzeitig starb am 2. März 1945, einen Tag nach seinem 34. Geburtstag. Am kommenden Samstag wird er in Würzburg als Märtyrer seliggesprochen - als erster Mariannhiller Missionar.
Anklage: "Verteidigung der Juden"
26.147 - unter dieser Häftlingsnummer war Unzeitig am 3. Juni 1941 in Dachau eingeliefert worden. Sechs Wochen saß er zuvor schon in Linz in Haft, wegen "heimtückischer Äußerungen" bei Predigten und im Religionsunterricht sowie "Verteidigung der Juden". Der Seelsorger aus dem Böhmerwald war da gerade einmal 30 Jahre alt. Hubert Unzeitig, wie er mit seinem Taufnamen hieß, war ein Spätberufener. Nach der Volksschule half er auf dem elterlichen Hof in Ostmähren; der Vater war zuvor im Ersten Weltkrieg in russischer Gefangenschaft an Typhus gestorben. Doch er wollte Missionar werden, holte das Abitur nach und studierte in Würzburg Philosophie und Theologie. 1939 wurde Unzeitig zum Priester geweiht, aber der Beginn des Zweiten Weltkriegs sorgte dafür, dass er keine Papiere mehr bekam, um in die Mission zu gehen. Er wurde Gemeindeseelsorger.
Im Konzentrationslager schließlich wurde der "Engel von Dachau", wie ihn Mithäftlinge in Anlehnung an seinen Ordensnamen Engelmar nannten, doch noch zum Missionar. Während der Arbeit auf den Feldern knüpfte er Kontakt zu russischen Zwangsarbeitern, teilte mit ihnen seine Essensrationen und bewahrte sie so vor dem Verhungern. Er lernte aber auch ihre Sprache. Ein russisches Wörterbuch zählt zu den wenigen persönlichen Gegenständen, die es von ihm noch gibt. Es wird mit seiner Taschenuhr und seinem Primizkelch am Samstag im Dom bei der Gabenprozession zum Altar gebracht.
Briefe, die Unzeitig aus der Lagerhaft schrieb, geben, obwohl zensiert, Zeugnis von seinem Denken. "Liebe verdoppelt die Kräfte, sie macht erfinderisch, macht innerlich frei und froh", heißt es im letzten Schreiben von 1945. Diese Liebe verbunden mit dem Bedürfnis, Sterbenden als Priester beizustehen, war auch der Grund für die todbringende Entscheidung Unzeitigs, sich nach Ausbruch einer Typhus-Epidemie freiwillig zur Krankenpflege zu melden. Dabei steckte er sich selbst an, spendete jedoch noch bis kurz vor seinem eigenen Tod die Krankensalbung.
„Liebe verdoppelt die Kräfte, sie macht erfinderisch, macht innerlich frei und froh.“
Ein anderer inhaftierter Priester bestach einen Häftling, der im Krematorium arbeitete, so dass der Leichnam des Paters nicht mit anderen, sondern einzeln verbrannt wurde. Die Asche samt Knochenresten wurde aus dem Lager herausgeschmuggelt und am Karfreitag 1945 im Grab der Mariannhiller in Würzburg beigesetzt. 1968 kam die Urne in die Kirche des Ordens, vor der seit 2011 auch ein "Stolperstein" an Unzeitig erinnert. Nach der Seligsprechung soll die Urne in den Volksaltar der Würzburger Herz-Jesu-Kirche eingesetzt werden.
Glauben in die Tat umgesetzt
Ihr bisheriger Aufbewahrungsort, eine Seitenkapelle, ist schon jetzt für viele Menschen ein besonderer Ort, wie der Provinzial der Mariannhiller, Michael Maß, erzählt. Immer wieder würden dort Opferkerzen brennen. Und im Fürbittbuch wendeten sich Gläubige direkt an den Pater. Der erste Selige des Ordens sei für die Mitbrüder eine Verpflichtung, betont der Provinzial: Er sei ein gutes Beispiel, wie man als gläubiger Mensch auf Hass reagieren sollte. "Nicht mit Gegenhass, sondern mit der Liebe." Unzeitig sei an den unmenschlichen Bedingungen in Dachau nicht verzweifelt, sondern habe seinen starken Glauben in die Tat umgesetzt.