Zahl der Kardinäle aus Deutschland auf Tiefstand

Deutsche Papstwähler bald unter Artenschutz?

Veröffentlicht am 25.06.2018 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Kardinäle sitzen auf Stühlen.
Bild: © KNA
Kirche

Bonn ‐ Im Kardinalskollegium ist die deutsche Präsenz in der papstwählenden Altersgruppe U-80 mittlerweile so gering wie seit mehr als 50 Jahren nicht mehr. Daran dürfte sich in absehbarer Zeit wenig ändern.

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Wenn Papst Franziskus an diesem Donnerstag 14 neue Kardinäle kreiert, geht die katholische Kirche in Deutschland zum dritten Mal in Folge leer aus. Der Berliner Erzbischof Heiner Koch, den man aufgrund seines Amtes noch bis vor einigen Jahren als traditionellen Anwärter auf diesen Titel bezeichnet hätte, stand wieder nicht auf der Liste, die der Papst am 20. Mai verlas. Die Zahl der deutschen Kardinäle, die jünger als 80 Jahre und damit zur Papstwahl berechtigt sind, verbleibt so auf einem historischen Tiefstand. Und dass die deutsche Hauptstadt Berlin unter dem argentinischen Papst noch einen Kardinal bekommt, glaubt mittlerweile niemand mehr.

Würde am Sonntag ein Konklave einberufen, gäbe es nur drei deutsche Kardinäle, die in der Sixtinischen Kapelle ihren Stimmzettel abgegeben dürften - so wenig wie seit 1963 nicht mehr: Reinhard Marx aus München, Rainer Maria Woelki aus Köln und der frühere Präfekt der Glaubenskongregation, Gerhard Ludwig Müller. In den Konklaven von 2013 und 2005 stellten die Deutschen mit jeweils sechs Kardinälen noch die drittstärkste Gruppe hinter Italienern und Amerikanern. 1978 waren es bei beiden Wahlen immerhin jeweils fünf. Nur wenn man die Kardinäle über 80 - Walter Brandmüller, Paul Josef Cordes, Karl Josef Rauber, Walter Kasper und Friedrich Wetter - mitrechnet, können die Deutschen mit neun Kardinälen noch einen vorderen Platz in der Kardinalsstatistik behaupten.

Einflussverlust im Vatikan

Der Schwund bedeutet auch einen Einflussverlust der katholischen Kirche Deutschlands im Vatikan und in der Weltkirche. Denn Kardinäle wählen nicht nur den Papst. Als Mitglieder der vatikanischen Behörden regieren sie auch die Weltkirche mit. An der herausragenden Bedeutung des Amtes hat sich auch unter Franziskus nichts geändert. Seine Ermahnungen an die neuen Kardinäle zur Bescheidenheit galten nur ihrem äußeren Auftreten.

Die verminderte deutsche Präsenz im Kardinalskollegium hat mehrere Ursachen. Der lateinamerikanische Papst überging etliche traditionelle europäische Anwärter auf die Kardinalswürde, um die Globalisierung des Beratergremiums voranzutreiben. Betroffen davon ist nicht nur Deutschland, auch die katholischen Nationen Italien und Spanien haben an Gewicht eingebüßt. Zwei Deutsche erhob Franziskus bislang zum Kardinal: Gerhard Ludwig Müller und den bereits über 80 Jahre alten früheren Vatikan-Diplomaten Karl Josef Rauber.

Bild: ©KNA

20. November 2015: Die Kardinäle Rainer Maria Woelki, Reinhard Marx und Karl Lehmann feiern am Petrusgrab in den Grotten des Petersdoms Gottesdienst. Lehmann starb am 11. März 2018.

Doch Franziskus allein erklärt nicht alles. Mehrere besondere Faktoren hatten in früheren Jahrzehnten zu einem überproportional hohen Anteil deutscher Kardinäle geführt. Blickt man auf die vergangenen 100 Jahre zurück, so hatten unter den deutschen Bistümern nur zwei einen Stammplatz im Kardinalskollegium: München und Köln. Dass die Bischöfe von Berlin seit 1946 meist die Kardinalswürde erhielten, verdankte sich hingegen einer besonderen historischen Konstellation: der Teilung Berlins und seines Symbolcharakters im Kalten Krieg. Seit der Wiedervereinigung ist dieser Grund für den Berliner Kardinalshut entfallen. Und Berlins Status als Hauptstadt dürfte allein als Grund kaum ausreichen. Zwar sind die Hauptstädte nahezu aller europäischen Länder mit einem nennenswerten katholischen Bevölkerungsanteil auch Kardinalssitz. Das hängt aber vor allem damit zusammen, dass es sich zumeist auch um bedeutende Bistümer handelt, was sich von Berlin nicht sagen lässt.

Ratzinger, Kasper, Cordes und Müller wirkten im Vatikan

Hinzu kamen in Deutschland in der jüngsten Vergangenheit einige Kardinalsernennungen, die allein der Person des Bischofs galten und weniger dessen Bistum. Hierzu zählen sowohl Kardinal Karl Lehmann als auch dessen Vorgänger Hermann Volk in Mainz. Volk erhielt den Kardinalspurpur für seine Mitwirkung an der Verwirklichung des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965), bei Lehmann spielte 2001 die langjährige Leitung der Deutschen Bischofskonferenz eine Rolle. Ad personam war auch die Erhebung des Paderborner Erzbischofs Johannes Joachim Degenhardt zum Kardinal im gleichen Jahr.

Zur hohen Zahl der wahlberechtigten deutschen Kardinäle trug eine Zeit lang auch bei, dass unter dem deutschfreundlichen polnischen Papst Johannes Paul II. zwei deutsche Kurienkardinäle im Vatikan wirkten: Joseph Ratzinger als Präfekt der Glaubenskongregation und Walter Kasper als Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen. Unter Benedikt XVI. waren es dann Kasper und Paul Josef Cordes als Präsident des damaligen Päpstlichen Rates "Cor Unum".

Nimmt man die Zahl der Katholiken in Deutschland - 24 Millionen im Vergleich zu den rund 40 Millionen in Frankreich oder Spanien - als Maßstab, dann relativiert sich das Bild. Die jetzt nur mehr drei Deutschen unter den von Donnerstag an 125 wahlberechtigten Kardinälen erscheinen dann in etwa proportional.

Von Thomas Jansen