Katholiken und Protestanten legen Wort zum Reformationsgedenken vor

Diesmal soll es anders werden

Veröffentlicht am 16.09.2016 um 13:50 Uhr – Von Norbert Zonker (KNA) – Lesedauer: 
Ökumene

München ‐ Bisherige runde Jahrestage der Reformation nutzten beide Seiten, um die Gräben zwischen den Kirchen zu festigen. Nicht so 2017: Zum großen Jubiläum haben beide Konfessionen ein gemeinsames Geleitwort herausgeben. An dessen Ende steht jedoch eine nüchterne Erkenntnis.

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"Das Reformationsgedenken 2017 soll ein ökumenisches Ereignis werden; dazu bedarf es einer Heilung der Erinnerung." Das ist, kurz gefasst, die Botschaft, die die katholische Deutsche Bischofskonferenz und die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) in ihrem am Freitag in München veröffentlichten "gemeinsamen Wort zum Jahr 2017" übermitteln wollen. Ein keineswegs selbstverständliches Anliegen in Anbetracht der bisherigen Jahrhundert-Jubiläen der Reformation, die der konfessionellen Profilierung dienten und die Gräben zwischen den Kirchen befestigten.

Seit 2012 vorbereitet

Diesmal, nach Jahrzehnten der ökumenischen Annäherung, soll es anders werden: Es sei "ein herausragender Moment unserer Gemeinschaft, nach Jahrhunderten gegenseitiger Abgrenzung ein Reformationsjubiläum in dieser Bereitschaft zu Vergebung und Aufbruch zu begehen", betonen der EKD-Ratsvorsitzende, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, und der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, in ihrem Geleitwort.

Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm und Kardinal Reinhard Marx, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz.
Bild: ©picture alliance / Sven Simon

Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm und Kardinal Reinhard Marx, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz bei einer Pressekonferenz in München.

Die seit 2012 vorbereitete Erklärung stellt dazu gleichsam den Grundlagentext dar. In einem ersten Schritt skizziert sie die Aufgabe einer gemeinsamen "Erinnerungskultur", in der die unterschiedlichen Sichtweisen auf die Konflikte und wechselseitigen Verletzungen der Vergangenheit "miteinander verglichen und aufeinander bezogen werden". Titelgebend ist dabei der in Südafrika nach dem Ende der Apartheid in Gang gesetzte Prozess der "Heilung der Erinnerung" (Healing of memories), ein maßgeblich von Kirchenvertretern geprägter politischer Versöhnungsprozess.

Bevor in einem dritten Schritt die Ereignisse des 16. Jahrhunderts in den Blick genommen werden, geht es in einem zweiten Teil um eine ökumenische Bestandsaufnahme. Erinnert wird an die Annäherungen und Aufbrüche vor allem in den vergangenen Jahrzehnten - sowohl auf der Ebene der offiziellen Dialoge als auch im Alltag der Christen verschiedener Konfessionen.

Abendmahlsgemeinschaft als offene Frage

Als weiterhin offene Fragen werden Eucharistie- und Abendmahlsgemeinschaft sowie das Kirchen- und Amtsverständnis angesprochen. Bei der Weiterarbeit müsse jede Kirche der Versuchung widerstehen, "das eigene Selbstverständnis als theologisches Maß für alle Kirchen zu wählen".

Auf dieser Grundlage erfolgt dann der Blick auf sogenannte "Erinnerungsorte": Martin Luthers "Thesenanschlag" und dessen "Mythisierung" beziehungsweise "Dämonisierung", der Reichstag in Worms 1521 und die Religionskriege und damit verbunden "das Problem der Politisierung" und schließlich "das Problem der Konfessionalisierung" entsprechend der Konfession der seinerzeitigen Herrscher. Bilder, die "tief verwurzelt im kollektiven Gedächtnis" seien, werden aufgerufen, und ihre Wirkungsgeschichte wird bis in die Gegenwart aufgezeigt.

Unter dem Titel "Theologische Schlüssel - 500 Jahre Reformation in der Ökumene heute" steht schließlich das vierte und mit 19 Seiten umfangreichste Kapitel. Darin wollen "beide Seiten erklären, was sie aneinander schätzen und inwieweit sie ihre eigenen theologischen Grundbegriffe nicht mehr ohne die ebenso kritische wie konstruktive Auseinandersetzung mit denen der anderen Seite formulieren können".

Ökumene: Was verbindet? Was trennt?

Ein Haus mit vielen Wohnungen: So lässt sich - vereinfacht - die Ökumene beschreiben. Das Haus, das viele Kirchen und Gemeinschaften beherbergt, umspannt die ganze Welt. Die Familien in diesem Gebäude sind Katholiken, Protestanten, Orthodoxe, Kopten, Altkatholiken, Anglikaner und Freikirchler.

Durchbuchstabiert wird dies an drei Grundbegriffen: Glaube in seinem Verhältnis zu den Werken, Freiheit in ihrem Verhältnis zum Gehorsam und Einheit der Kirche in ihrem Verhältnis zur Trennung und zur Vielfalt. Nüchtern wird zum Schluss festgestellt, "dass es heute keine gemeinsame Sicht der kirchlichen Einheit gibt, die wir zu suchen haben". Diese Offenheit sei "selbst Teil der Heilung der Erinnerungen".

Gottesdienste auf regionaler und lokaler Ebene

Wesentlicher Bestandteil des "gemeinsamen Worts" ist ein angehängter Liturgieentwurf für ökumenische Buß- und Versöhnungsgottesdienste. Auf Bundesebene ist ein solcher Gottesdienst am 11. März 2017 in der Hildesheimer Michaeliskirche geplant. Zugleich regen EKD und Bischofskonferenz an, solche Gottesdienste auch auf regionaler und lokaler Ebene zu feiern. Dabei sollten auch die übrigen Mitgliedskirchen der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) einbezogen werden.

Von Norbert Zonker (KNA)