Religionspädagogin Monika Jakobs über die Erstkommunion

Differenzierte Katechese ist das Ziel

Veröffentlicht am 02.03.2015 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Zwei Hände in Nahaufnahme zerbrechen eine Hostie.
Bild: © KNA
Sakramente

Bonn ‐ Realpräsenz und Eucharistie - das sind schon für manchen Erwachsenen schwer verdauliche Begriffe. Kindern, die zur Erstkommunion gehen, sind sie erst recht nicht leicht zu vermitteln. Im Interview mit katholisch.de spricht die Religionspädagogin Monika Jakobs über Herausforderungen der Katechese.

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Frage: Selbst für viele Erwachsene ist die Eucharistie nur schwer zu begreifen. Was muss ein Kind also wissen, bevor es zur Erstkommunion geht?

Monika Jakobs: Zunächst stellt sich die Frage, warum es so schwer ist, die Eucharistie zu verstehen. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob die Katecheten selbst immer ganz genau wissen, worum es dabei geht. Das Problem liegt bei der Sprache der Theologie. Es muss noch stärker darum gerungen werden, die theologischen Inhalte verständlich und lebensrelevant anzubieten. Das ist ein Prozess, der bereits begonnen hat, der aber noch nicht abgeschlossen ist. Auf der anderen Seite kann man Kinder auch jetzt schon an die Eucharistie heranführen. Allerdings nicht in ihrer gesamten Komplexität.

Monika Jakobs im Porträt
Bild: ©Monika Jakobs/Universität Luzern

Monika Jakobs ist Professorin für Religionspädagogik und Katechetik und Leiterin des Religionspädagogischen Instituts an der Universität Luzern.

Frage: Sondern wie?

Jakobs: Für Kinder müssen Erklärungen immer mit Erfahrungen verknüpft werden. Ein gemeinschaftliches Essen mit entsprechenden Ritualen wie einem Tischgebet könnte ein Zugang sein. Auch ein schwieriges Thema wie die Eucharistie als Opfer kann man ansprechen, in dem man Kindern erklärt, dass sie sich anderen Menschen, beispielsweise ihren Eltern, verdanken. Oder auch, dass sie selbst Opfer bringen wollen, um jemandem zu helfen. Ohne solche elementaren Erfahrungen ist es für Kinder schwer, die Eucharistie zu verstehen. Das alles muss natürlich in kindgerechter Sprache passieren. Gleichzeitig darf es aber nicht in eine Theologie oder Symbolik abgleiten, die dann tatsächlich "Kinderkram" ist. Man muss auch so mutig sein zu sagen, dass es Aspekte der Theologie gibt, die Kinder nicht verstehen können.

Frage: Ein wichtiger Aspekt ist für die Katholiken die Realpräsenz Jesu in der Eucharistie. Ist die für Kinder vermittelbar?

Jakobs: Ich glaube nicht, dass man Kindern die Realpräsenz umfassend erklären kann. Zuvor wäre auch erst die systematische Theologie gefragt, um den Leuten in der Praxis erst einmal Verständnishilfen zu geben. Man kann aber über den Schritt davor sprechen, indem man wieder an die Erfahrungen der Kinder anknüpft und die Symbolik erklärt: Auch bei einem Mahl außerhalb des Gottesdienstes können beispielsweise geliebte Personen erfahrbar oder spürbar werden, wenn man über sie redet und sich an sie erinnert. Da sprechen wir aber noch nicht von Jesus Christus.

Frage: Die Kinder gehen in Deutschland meistens in der 3. Klasse – also mit 8 oder 9 – zur Erstkommunion. Ist das für Sie das richtige Alter?

Jakobs: Ich weiß nicht, ob es ein richtiges Alter gibt. Theologisch ist es jedenfalls nicht vorgegeben. Deshalb hat es sich historisch auch häufiger gewandelt. Die frühe Kirche kannte die Erstkommunion direkt bei der Taufe. In der Ostkirche wird das noch heute so praktiziert. Bei uns empfangen die Kinder jetzt schon lange mit 8 oder 9 erstmals die Eucharistie und man müsste schon einen guten Grund haben, um das nun zu ändern. Eine Alternative wäre, den Termin zu inidvidualisieren und ganz von der jeweiligen Situation des Kindes und seiner Famiie abhängig zu machen. Das wäre aber ein gewaltiger Paradigmenwechsel. Problematischer ist für mich eher die Firmung.

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Video: © Mediaplus X und Bernward Medien

Bei der Erstkommunion empfangen Kinder zum ersten Mal das Sakrament der Eucharistie. Doch was ist die Erstkommunion?

Frage: Warum?

Jakobs: Wenn man von der Logik ausgeht, dass die Verpflichtung eines Christen mit jedem Initiationssakrament wächst, dann entspricht das mit der Reihenfolge von Taufe, Erstkommunion und Firmung nicht der Realität. Mehr Partizipation – und damit auch Verpflichtung – als durch die Eucharistie gibt es in meinen Augen nicht. Das ist der theologische Höhepunkt. Auch das Bußsakrament, das die Kinder vor der Erstkommunion empfangen, ist an dieser Stelle verschenkt. In der Schweiz wird es erst danach gespendet und nennt sich Versöhnungsweg. In Deutschland würde die Buße ebenfalls eher zur Firmung passen. Da ist man erwachsen und schuldfähig und kann über so etwas nachdenken.

Frage: Was ist also zu tun?

Jakobs: Wir müssen erst einmal grundsätzlich klären, was wir von den Kindern und Jugendlichen, aber auch von den Eltern erwarten. Wollen wir ihnen nur den eher passiven Gnadenaspekt der Sakramente vermitteln, dann legen wir einfach ein Alter fest und hoffen, dass erst einmal möglichst viele junge Menschen kommen. Wollen wir aber verdeutlichen, dass die Sakramente wirkliche Initiation, also Eingliederung in die Kirche sind, dann müssen wir höhere Erwartungen an sie stellen.

Wenn man Eltern und Kinder heute bittet, während der Kommunionvorbereitung fünfmal am Sonntagsgottesdienst teilzunehmen, bekommt man schon Schwierigkeiten. Denn 80 Prozent der Bevölkerung haben heute kaum eine oder gar keine Bindung zur Kirche. Für die anderen 20 Prozent, bei denen die Eltern regelmäßige Kirchgänger sind und die deshalb ganz andere Voraussetzungen haben, tun wir im Gegenzug schon fast zu wenig. Die Heterogenität der Gesellschaft stellt die Seelsorge vor große Probleme. Sie legt aber den Schluss nahe, dass es nicht mehr das eine richtige Alter und die eine richtige Art der Vorbereitung auf die Sakramente gibt.

Frage: Der gemeinsame Kommunionunterricht und die große Erstkommunionfeier für alle haben sich also überlebt?

Jakobs: Das Stichwort lautet: differenzierte Katechese. Gerade in den Städten gibt es die pastorale Option, Eltern und Kinder aus verschiedenen Pfarreien zusammenzubringen. Den Interessierten kann man beispielsweise wöchentlich tiefergehende katechetische Angebote machen und den anderen erklärt man zunächst, wie ein Gottesdienst funktioniert und wozu er gut ist. Doch auch die Sorgen derer, die der Kirche nicht so nahe stehen, sollte man ernst nehmen. Wenn für die Eltern die Erstkommunion der Kinder erst einmal eine große Familienfeier ist, dann ist auch das legitim und bietet die Möglichkeit, darüber ins Gespräch zu kommen. Ich könnte mir so etwas wie ein Minimalprogramm und ein ausführliches Programm vorstellen. Ansonsten fühlen sich die einen überfordert und kommen nicht mehr. Die anderen könnten dagegen unterfordert sein.

Frage: Wie beurteilen Sie denn den Kommunionunterricht, wie er aktuell in Deutschland üblich ist?

Jakobs: Das ist schwer zu sagen. Es stellt sich dir Frage, ob ein "Unterricht" überhaupt der richtige Ansatz ist. Versteht man nicht durch gemeinschaftliche und schöne Erfahrungen viel eher, dass Jesus unter uns ist, als wenn man es nur im Unterricht postuliert? In einer idealen katholischen Welt gebe es in den Pfarreien und Gemeinden pastorale und pädagogische Angebote für jedes Lebensalter: für Eltern mit Kleinkindern, für Vorschulkinder oder auch für Jugendliche. Die Sakramente kämen dann wie organisch dazu. Das ist heute sicher nicht einfach. Wir sollten es aber dennoch versuchen.

Das Interview führte Björn Odendahl